Das Feiern hat Irène Kälin (34) auf später verschoben. Am Montag wird die Aargauer Grünen-Nationalrätin zur Nationalratspräsidentin gewählt – und gilt damit, zumindest innerhalb des Landes, als höchste Schweizerin. Doch wegen Corona gibts weder Apéro im Bundeshaus noch den traditionellen Empfang im Heimatkanton.
Seit vier Jahren in Bern
Kälin ist erst die zweite grüne Nationalratspräsidentin und eine der jüngsten in diesem Amt. Die ehemalige Vizepräsidentin der Grünen ist seit vier Jahren Nationalrätin, nachdem sie 2017 für den zurückgetretenen Jonas Fricker (44) nachgerutscht war.
Sie hat Islam- und Religionswissenschaften studiert und ist Präsidentin des kantonalen Dachverbands der Arbeitnehmenden Arbeit Aargau. Kälin hat gemeinsam mit dem Journalisten Werner De Schepper (56) einen dreijährigen Sohn. De Schepper ist Co-Redaktionsleiter des Magazins «Interview by Ringer», das im selben Verlag wie Blick erscheint.
Mit dem Baby im Nationalrat
Als junge Mutter und Politikerin hat Kälin schon mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Wenige Monate nach der Geburt hatte die Nationalrätin ihren Sohn mit in den Nationalratssaal genommen. Während sie abstimmte, schlief Elija selig – ein ungewohntes Bild.
Sie habe das damals nicht gemacht, um Aufmerksamkeit auf sich und das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ziehen, betont Kälin im Interview mit der «Aargauer Zeitung». «Ich hatte ein Vereinbarkeitsproblem und bin ehrlicherweise erschrocken, dass es in der heutigen Zeit noch einen Aufschrei gibt.»
Ihr Motto: Vereinbarkeit
Ihr Jahr als Nationalratspräsidentin will Kälin nun unter das Motto Vereinbarkeit stellen, wie sie sagt. Einerseits gehe es ihr um die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Politik, aber auch um die Vereinbarkeit verschiedener Meinungen. «Es sitzt nun eine junge Frau und Mutter auf dem Bock, das soll man spüren und sehen.»
Als Nationalratspräsidentin kommt Kälin unter anderem die Aufgabe zu, bei einer Pattsituation im Rat einen Stichentscheid zu fällen. Sie hoffe, dass das nicht allzu oft nötig sein wird, denn «eigentlich sollten in Krisenzeiten wichtige Entscheide möglichst klare Mehrheiten haben». «Mindestens einen» möchte sie aber schon fällen dürfen, sagt Kälin zur «Aargauer Zeitung».
Schluss mit SVP-Vorherrschaft
Kälin übernimmt das Amt von SVP-Nationalrat und Landwirt Andreas Aebi (63). Mit der Rochade endet die SVP-Vorherrschaft in Bundesbern: Mit Nationalratspräsident Aebi, Ständeratspräsident Alex Kuprecht (63) und Bundespräsident Guy Parmelin (62) waren das vergangene Jahr die höchsten politischen Ämter allesamt in Hand der wählerstärksten Partei.
Neuer Ständeratspräsident wird der Glarner FDP-Parlamentarier Thomas Hefti (62). Bundespräsident wird ab Januar Aussenminister und ebenfalls FDP-Vertreter Ignazio Cassis (60). (lha)