«Aktiv zu sein, ist für uns mit Risiken verbunden», sagt Sahar A.* Und trotzdem kann die Iranerin nicht mehr still sein. Am Samstagnachmittag findet in Zürich eine Demonstration gegen das iranische Regime statt. A. ist eine der Organisatorinnen der Kundgebung.
Die Frau, die nicht mit Namen genannt werden will, geht davon aus, dass auch die Proteste in der Schweiz vom islamischen Regime überwacht werden. Sie macht sich Sorgen über Spitzel, die Fotos von den Demonstrierenden schiessen könnten. Die Demo brauche deshalb Mut. Doch: «Noch mutiger sind jene, die jetzt im Iran auf die Strasse gehen.»
Seit rund einem Monat protestieren im Iran Menschen auf die Strasse. Auslöser der Proteste war der Tod der Iranerin Mahsa Amini (22). Sie war von der Polizei festgenommen worden, weil sie ihr Kopftuch nicht richtig getragen haben soll. Wenig später verstarb die junge Frau in Polizeigewahrsam. Seitdem demonstrieren landesweit Tausende gegen die iranische Regierung. Auch in der Schweiz findet der Protest Unterstützung.
Auftritt von Sibel Arslan
In Zürich versammelten sich einige Hundert Menschen, in Bern waren es gegen 500, wie ein Fotograf und eine Korrespondentin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichteten. Auch die Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan (42) war vor Ort. Aus Solidarität schnitt sie sich auf der Bühne die Haare ab.
In Bern schwenkten viele Teilnehmende kurdische Fahnen. Organisiert wurde die Berner Kundgebung von der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran in der Schweiz. Die Veranstalter forderten auf einem Transparent «Freiheit für alle politischen Gefangenen im Iran». Mehrere Rednerinnen drückten ihre Solidarität mit den Frauen im Iran aus. Mehrfach wurde der Slogan «Frauen, Leben, Freiheit» skandiert.
Es geht um weit mehr als das Kopftuch
Die Forderungen von «Free Iran Switzerland» richten sich vor allem an die Schweizer Politik. So soll die Schweiz Sanktionen der EU und den USA gegen den Iran übernehmen und den iranischen Botschafter in Bern einbestellen. Ausserdem fordern sie, dass die sogenannte Revolutionsgarde, die iranische Armee, als Terrororganisation eingestuft wird. «Es soll endlich einen Ruck in der Politik geben. Bislang hörten wir nur lauwarme Worte», so Sahar A. Die 39-Jährige hat selbst Verwandte im Iran, steht regelmässig mit ihnen in Kontakt. Bei Videos, die direkte Gewalt gegen die Demonstrierenden zeigen, drückt sie aber schnell weg. Den anderen vier Mitorganisatoren, die sich Sorgen machen würden, ginge es ähnlich.
Wenn die Frau an die Zukunft denkt, so denkt sie positiv: «Der Protest bewegt alle Altersgruppen im Iran, es gehe mittlerweile um mehr als das Kopftuch, sondern um Freiheit und Demokratie. Es ist überall sehr viel Hoffnung zu spüren. Hoffnung, dass es dieses Mal klappt.» Die wachsende Polizeigewalt gegenüber den Demonstrierenden beobachtet sie aber auch mit Sorge. (lui/SDA)
*Name geändert