Der Tarifwirrwarr im öffentlichen Verkehr beschäftigt die Blick-Leserinnen und -Leser. Nachdem Blick verschiedene Beispiele aufgezeigt hat, bei denen ÖV-Tickets plötzlich billiger oder teurer werden, je nachdem auf welchem Weg sie gekauft werden, haben sich viele von ihnen mit weiteren Beispielen gemeldet. Eine Person riet Blick, einmal die Fahrt von Langnau im Emmental nach Aeschi BL einzugeben. Kosten laut App: 26.50 Franken. Gibt man aber extra in der App «via Burgdorf» ein, verbilligt sich die Fahrt auf 20.50 Franken.
Oder aber, Sie wollen vom Verkehrshaus in Luzern den Bus zum Bahnhof nehmen und dann nach Sursee LU weiterfahren. Laut App reichen fünf Minuten zum Umsteigen. Dafür zahlt man mit Halbtax 6.50 Franken. Jeder Luzerner wisse aber, dass der Bus zu Stosszeiten wegen des Staus immer Verspätung habe. Also nimmt man einen Bus früher als vorgesehen – aber dann ist das im App gelöste Billett noch gar nicht gültig.
«Gita kommt nur langsam voran»
Der Schweizer Tarifwirrwarr ist auch der Branche bekannt. Auf Druck der Politik befasst sie sich auch schon seit längerem damit. Die zuständige Organisation Alliance Swisspass erklärt denn auch, zurzeit werde in der Branche ein Konzept für ein integriertes Tarifsystem erarbeitet. «Da es sich um laufende Arbeiten handelt, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Angaben zur Ausgestaltung machen.»
Mit dem integrierten Tarifsystem spricht Swisspass das Projekt «Gita» an, das mit ganzem Namen «Grobkonzept Integriertes Tarifsystem» heisst. Mit diesem wehrt sich die Branche seit längerem gegen Vorwürfe, nichts gegen den Tarifwirrwarr zu unternehmen. Aber: «Gita» kommt nur sehr langsam voran, wie Insider sagen. Dabei müsste die ÖV-Branche längst Kundenfallen und Inkonsistenzen bei den Preisen beheben. Mittlerweile schauen neben dem Bundesamt für Verkehr (BAV) auch die kantonalen Verkehrsdirektoren dem öffentlichen Verkehr bei «Gita» über die Schulter.
«Abos müssen korrekt abrechnen»
Und dennoch geht beim Tarifwirrwarr faktisch seit Jahren nichts. Und dass bei Alliance Swisspass mit René Schmied ein Vertreter eines Verkehrsverbunds eben das Präsidium des Swisspass-Strategierats übernommen hat, verheisst laut Beobachtern nichts Gutes. Denn es sind just die Verkehrsverbünde, die als Bremser der ÖV-Branche bei der Schaffung von fairen und transparenten Preisen gelten. An Bernmobil-Mann Schmied ist es nun, den Gegenbeweis anzutreten.
Derweil werden nun die Verkehrspolitiker im Bundesparlament aktiv. Für die Zürcher GLP-Nationalrätin Barbara Schaffner (53) ist klar: «Abos müssen automatisch korrekt in den ÖV-Apps berücksichtigt werden.» Die Kundinnen und Kunden müssten sich darauf verlassen können, dass sie nicht zu viel zahlen für die Benutzung von Bahn, Tram und Bussen. Und auch der Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (43) sagt: «Das Tarifsystem muss unkompliziert sein und darf keine Fallstricke für die Passagiere beinhalten. Offenbar ist das aber nicht so. Das muss man umgehend ändern.» Die Verkehrskommission solle von der Branche Erklärungen und nötigenfalls Verbesserungsvorschläge einfordern, findet er. Dafür will er sich in der Kommission einsetzen.
Verunsicherung heikel
Ihm springt ebenfalls Fraktionskollege Martin Candinas (41) zur Seite: «Das Vertrauen der Kunden in unser ÖV-System ist zentral.» Wo Probleme bestünden, habe die Branche diese schon aus eigenem Interesse zu lösen. «Gerade jetzt, wo viele Verkehrsunternehmen wegen Corona weniger Fahrgäste hatten, ist eine Verunsicherung der Kunden besonders heikel.» Um die Passagiere wieder an den ÖV zu binden, sei Preistransparenz zentral.