Die direkte Demokratie importieren, um Frankreich zu verändern. Das will Marine Le Pen (55), die politische Gegnerin Nummer eins von Emmanuel Macron (45).
Auch der französische Präsident möchte künftig öfters Referenden abhalten. Er hat deshalb die politischen Parteien eingeladen, nach seinem zweitägigen Besuch in der Schweiz darüber zu diskutieren. Doch: Über dieses Thema will Macron ausgerechnet in der Referendumshochburg Schweiz nicht sprechen.
Undenkbar für Le Pen. Die Vordenkerin des Rassemblement National (RN) hat darum bereits versprochen, dass sie das Volk öfter abstimmen lassen will, sollte sie eines Tages in den Élysée-Palast einziehen. Im Blick nimmt sie exklusiv Stellung.
Blick: Marine Le Pen, Ihr RN ähnelt immer mehr der Schweizer SVP. Eine anerkannte Partei mit hartem Rechtskurs. Sie schwören auf das Referendum. Sie verurteilen das Diktat der Europäischen Union. Führen SVP und RN die gleichen Kämpfe?
Marine Le Pen: Vergleiche mit dem Ausland sind immer gefährlich. Die Franzosen sehen uns heute als politische Kraft, die in der Lage ist, zu regieren. Ja, wir haben Gemeinsamkeiten mit der SVP: Seit 25 Jahren warnen wir vor dem islamischen Fundamentalismus und seinen Auswirkungen auf unsere Freiheiten; seit 25 Jahren warnen wir vor unkontrollierter Einwanderung.
Wenn Sie den Schweizern Ihren Präsidenten Emmanuel Macron erklären müssten: Was würden Sie ihnen sagen?
Er ist ein Präsident, der die Franzosen im Grunde verachtet. Er gibt vor, mehr Referenden in die Verfassung aufnehmen zu wollen, aber er beleidigt seine Mitbürger ständig und regiert gegen das Volk. Ich hoffe darum, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer von ihm nicht täuschen lassen.
Die französische Rechtsanwältin Marine Le Pen (55) politisiert in der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National. Als deren Vorsitzende amtierte sie von 2011 bis 2021. In dieser Zeit versuchte sie, der Partei einen bürgerlichen Anstrich zu geben, da sie als klar rechtsextrem galt.
Als Folge entmachtete Le Pen antisemitische Politiker in den eigenen Reihen. Innenpolitisch fährt sie aber bis heute einen harten Kurs. So fordert sie, dass Ausländern in Frankreich die Sozialhilfe gekürzt wird. Zudem wünscht sie sich ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Aussenpolitisch argumentiert sie für einen Austritt aus der EU, ebenso wie aus dem Nato-Verteidigungsbündnis. 2022 forderte sie Macron im Präsidentenduell heraus. Unterlag jedoch mit 41,45 Prozent Stimmenanteil.
Die französische Rechtsanwältin Marine Le Pen (55) politisiert in der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National. Als deren Vorsitzende amtierte sie von 2011 bis 2021. In dieser Zeit versuchte sie, der Partei einen bürgerlichen Anstrich zu geben, da sie als klar rechtsextrem galt.
Als Folge entmachtete Le Pen antisemitische Politiker in den eigenen Reihen. Innenpolitisch fährt sie aber bis heute einen harten Kurs. So fordert sie, dass Ausländern in Frankreich die Sozialhilfe gekürzt wird. Zudem wünscht sie sich ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe.
Aussenpolitisch argumentiert sie für einen Austritt aus der EU, ebenso wie aus dem Nato-Verteidigungsbündnis. 2022 forderte sie Macron im Präsidentenduell heraus. Unterlag jedoch mit 41,45 Prozent Stimmenanteil.
Der französische Präsident wird in der Schweiz auch über Europa sprechen. Was halten Sie als Rechte davon?
Ich verstehe, dass ein Schweizer mir diese Frage stellt. Aber in Frankreich haben Rechte und Linke vierzig Jahre lang die gleiche Politik gemacht. Deshalb halte ich eine andere Trennung für viel treffender: die zwischen Globalisten und Nationalisten. Macron ist ein typischer Globalist. Ich hingegen verteidige die Nation, wie es einst General de Gaulle tat. Meine Partei steht für einen starken Sozialschutz, den es nur in einem nationalen Rahmen geben kann.
Glauben Sie an das Referendum, wie es in der Schweiz üblich ist? Würden Sie es in Frankreich einführen wollen?
Ich möchte das Schweizer System nicht importieren. Die Tradition der direkten Demokratie bei Ihnen ist so weit fortgeschritten, dass man sie nicht einfach übernehmen kann. Für mich geht es vor allem darum, mit Referenden die Verfassung wieder zu stärken. Sie ist das höchste Gesetz. Es ist Sache des Volkes, sie zu ändern. Genau das werde ich vorschlagen. Wählerinnen und Wähler sollen wieder über wichtige gesellschaftliche Fragen mitbestimmen können – auch über Einwanderung.
Die Schweizer sind sich Abstimmungen gewöhnt. Die Franzosen nicht. Wie wollen Sie Ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger dazu erziehen, über den Gegenstand des Referendums und nicht gegen die Machthaber zu stimmen?
Dem französischen Volk müssen endlich klare und verständliche Regeln vorgelegt werden. Die aktuelle französische Verfassung sieht die Möglichkeit vor, das Volk bezüglich wirtschaftlicher und sozialer Organisation zu befragen. Und sozial ist, was die Gesellschaft betrifft.
Wenn statt Macron Sie die Schweiz besuchen würden: Welche Fragen zum Referendum würden Sie stellen?
Ich würde meine Gesprächspartner fragen, wie die Spielregeln der Demokratie sakrosankt eingehalten werden können. Das Volk stimmt ab. Es ist der Souverän. Wie erreichen wir, dass sich alle an seine Entscheidung halten? Ich würde sie auch nach der Gefahr der Ermüdung fragen, wenn man so oft abstimmen muss. Kurz: Wie können wir das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen erhalten?
Sie träumen also davon, Frankreich ein wenig in die Schweiz zu verwandeln?
Überhaupt nicht. Ich wünsche mir lediglich eine funktionierende Republik, in der das Volk befragt werden kann, ohne dass dies jedes Mal zu einer Täuschung oder zu einer Spaltung des Landes führt. Ich bin überzeugt, dass das französische Volk vernünftig ist. Und davon, dass es immer Recht hat, auch wenn es sich irrt. Natürlich braucht es Leitplanken. Internationale Verträge, die Vereinten Nationen, all das muss es geben, damit sich die Tragödien der Geschichte nicht wiederholen. Aber der einzige Souverän ist das Volk.