Wolfsgegner wollen ganze Rudel abschiessen!
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Schutz soll gelockert werden:Wolfsgegner wollen ganze Rudel abschiessen!

In der Jagdgesetz-Kampagne reden sie von «Schutz» – in der Vernehmlassung gehen sie viel weiter
Wolfsgegner wollen ganze Rudel abschiessen!

Jetzt haben die Jagdgesetz-Befürworter den Vogel – oder besser den Wolf – abgeschossen. Das finden zumindest die Umweltverbände. In der Kampagne preisen sie das neue Gesetz als Artenschutz-Revolution, im Hinterkämmerchen weibeln sie aber für deutlich weniger Schutz.
Publiziert: 10.09.2020 um 22:50 Uhr
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Aktualisiert: 17.09.2020 um 18:49 Uhr
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Der Kampf um den Wolf spitzt sich zu.
Foto: Keystone
Noa Dibbasey und Sermîn Faki

Die Befürworter des neuen Jagdgesetzes müssen zittern – gemäss Abstimmungsbarometer von GFS Bern sagen derzeit nur knapp 54 Prozent Ja. Und viele sind noch unentschlossen, wie sie stimmen sollen. Es wird ein knappes Rennen.

Kein Wunder, betonen Jäger, Berggebiete und Bauernverband, dass das Gesetz moderat sei, ein fortschrittlicher Kompromiss, der die Artenvielfalt stärke und der Regulierung des Wolfs klare Grenzen setze. So hoffen sie, die letzten Zweifler aus den Städten und Agglomerationen zu einem Ja zu bewegen.

Doppelspiel mit dem Stimmbürger

Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt, wie scheinheilig die Kampagne ist. Geht es nach dem Willen des Schweizer Bauernverbands (SBV) und der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) – zwei der drei Träger der Ja-Kampagne –, soll das Gesetz alles andere als moderat umgesetzt werden. Das zeigen ihre Stellungnahmen zur neuen Verordnung zum Gesetz, zu der der Bund bereits die Meinungen der Verbände eingeholt hat.

So fordern sie, dass zur Bestandsregulierung nicht nur einzelne Wölfe abgeschossen werden können. In bestimmten Situationen – welche, bleibt ihr Geheimnis – sollen sogar ganze Rudel «entnommen», sprich: getötet, werden dürfen.

Darum geht es beim Jagdgesetz

Eigentlich hätte im Mai über das revidierte Jagdgesetz abgestimmt werden sollen, wegen Corona wurde dies aber auf den 27. September verschoben. Im Gesetz geht es hauptsächlich um den Wolf. Da dessen Bestand sich in den letzten Jahren enorm erhöht hat, sind die bisherigen Instrumente für den Schutz von Mensch und Tier nicht mehr ausreichend, sagen die Befürworter. Bisher entschied der Bund über Abschüsse. Würde das Gesetz angenommen, bliebe der Wolf geschützt, Kantone dürften Wölfe aus Rudeln aber neuerdings (unter bestimmten Bedingungen) erschiessen, bevor sie Schaden anrichten. Damit sollen Wölfe die Scheu vor Menschen, Herden und Siedlungen bewahren. Gleichzeitig würden Bauern verpflichtet, ihre Tiere besser zu schützen. Gegner des Gesetzes sagen, dass es über das Ziel hinausschiesse und andere Tiere ebenfalls in Gefahr gerieten, weil der Bundesrat danach selber entscheiden könnte, welche geschützten Tiere (aktuell nur Steinbock und Wolf) geschossen werden dürfen. (vof)

Eigentlich hätte im Mai über das revidierte Jagdgesetz abgestimmt werden sollen, wegen Corona wurde dies aber auf den 27. September verschoben. Im Gesetz geht es hauptsächlich um den Wolf. Da dessen Bestand sich in den letzten Jahren enorm erhöht hat, sind die bisherigen Instrumente für den Schutz von Mensch und Tier nicht mehr ausreichend, sagen die Befürworter. Bisher entschied der Bund über Abschüsse. Würde das Gesetz angenommen, bliebe der Wolf geschützt, Kantone dürften Wölfe aus Rudeln aber neuerdings (unter bestimmten Bedingungen) erschiessen, bevor sie Schaden anrichten. Damit sollen Wölfe die Scheu vor Menschen, Herden und Siedlungen bewahren. Gleichzeitig würden Bauern verpflichtet, ihre Tiere besser zu schützen. Gegner des Gesetzes sagen, dass es über das Ziel hinausschiesse und andere Tiere ebenfalls in Gefahr gerieten, weil der Bundesrat danach selber entscheiden könnte, welche geschützten Tiere (aktuell nur Steinbock und Wolf) geschossen werden dürfen. (vof)

In der Abstimmungskampagne verschweigen sie das: Auf der Kampagnen-Website werben SAB und Bauernverband stattdessen mit einem Faktenblatt vom Bundesamt für Umwelt (Bafu), das ganz klar festhält: «Der Wolf bleibt eine geschützte Art, und die Rudel bleiben erhalten.»

«Jetzt zeigen sie ihr wahres Gesicht»

Für Jonas Schmid von WWF Schweiz ist der Fall klar: «Jetzt zeigen die SAB und der SBV ihr wahres Gesicht.» Das Jagdgesetz als Abschussgesetz zu bezeichnen, sei so falsch nicht.

Für den Zürcher Nationalrat Bastien Girod (39, Grüne) zeigen die Stellungnahmen, dass die Befürworter momentan «sehr viel Kreide essen» und nur so tun, als ginge es ihnen um die Tiere. Und es beweise, wie missraten das Jagdgesetz sei: «Es ist so formuliert, dass man es sehr weitläufig auslegen kann.»

Nicht mal im Schutzgebiet soll der Wolf sicher sein

Die Rudel-Abschuss-Genehmigung ist Berglern und Bauern nicht genug. Sie wollen sogar den Schutz vor einem Abschuss in Tierschutzgebieten aus der Verordnung streichen. Das Bafu schlägt vor, dass der Wolf dort nur dann geschossen werden darf, wenn Herdenschutzmassnahmen bestehen und ein Abschuss ausserhalb des Wildtierschutzgebiets nicht möglich ist. Anders sehen das Bauernverband und SAB: Sie wollen den Wolf schiessen dürfen, wenn es «notwendig» ist. Egal, wo.

Auch bei der Frage, ab wann Problemwölfe geschossen werden dürfen, drängen SAB und Bauernverband auf eine weitreichende Lockerung. Der Bund sieht eine Mindestanzahl gerissener Schafe und Ziegen vor: entweder 35 innerhalb von vier Monaten oder 25 innerhalb von einem Monat. Auch das wollen die Befürworter kippen. Und mehr noch: Für sie muss gar kein Tier gerissen werden – ein einzelner Angriff ohne «Opfer» soll bereits ausreichen, um einen Wolf schiessen zu können.

Bund wolle das Gesetz im Nachhinein abschwächen

Auf BLICK-Anfrage sagt der Bauernverband, dass das Bafu mit der Verordnung versuche, den Kritikern des Jagdgesetzes entgegenzukommen: «Aus unserer Sicht ist sie ein Versuch, den bereits moderaten Gesetzesentwurf weiter abzuschwächen», so Sprecherin Sandra Helfenstein.

SAB-Direktor Thomas Egger (53) hingegen schiebt den Schwarzen Peter den Gegnern zu. «Wir haben unsere Haltung zur Verordnung offen dargelegt.» Anders als die Gegner, welche die Vernehmlassung boykottierten. «Das ist Gesprächsverweigerung und verunmöglicht es, tragfähige Kompromisse zu finden», so Egger.

Doch warum das Doppelspiel? Warum sagen SAB und SBV in der Abstimmungskampagne nicht klipp und klar, was sie wollen? «Die Stellungnahme und die Kampagne haben nichts miteinander zu tun. Das sind zwei Paar Schuhe», so Egger. Bleibt abzuwarten, ob die Stimmbürger das auch so sehen.

Alle Abstimmungen auf einen Blick

Die Schweiz stimmt wieder ab: Erklärungen zu allen Initiativen, aktuelle News und prominente Stimmen zum Thema finden Sie hier.

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