Blick: Herr Berger, mögen Sie keine Lehrer?
Christoph Berger: Natürlich habe ich nichts gegen die Lehrer! Wieso denn das?
Die neue Impfstrategie gibt explizit vor, nur nach Alter und abgesehen vom Gesundheitswesen nicht nach Berufsgruppe zu priorisieren.
Das hat mit dem übergeordneten Ziel zu tun, schwere Erkrankungen und Todesfälle zu verhindern. Wir haben immer bessere Daten, und die sind deutlich: Wie stark jemand an Covid erkrankt, hängt stark vom Alter hab.
Bestimmte Berufsgruppen müssen aber öfter unter die Leute und haben daher ein grösseres Risiko, mit dem Virus in Berührung zu kommen – wie eben Lehrer.
Wir haben versucht, die Strategie möglichst einfach zu halten: Schutz vor Krankheit ist dominant über Schutz vor Exposition. Erst die Risikogruppen, dann altersabsteigend. Wenn man jetzt sagt, erst Primarlehrer, dann Stufe Sek und am Schluss Kindergarten, braucht das zu viel Administration. Dann werden Impftermine blockiert, und das Ziel muss jetzt sein, möglichst vielen Menschen möglichst schnell eine erste Dosis zu verimpfen.
Einzelne Kantone priorisieren die Lehrerschaft nun doch. Ein Fehler?
Die Kantone sind offen bei der Umsetzung, das können sie gut machen. Ich würde mir einfach wünschen, dass sie es möglichst pragmatisch angehen. Man kann eine Berufsgruppe priorisieren und gleichzeitig trotzdem noch alle anderen impfen.
Der Pfizer-Chef Albert Bourla hat angekündigt, dass wohl jeweils eine dritte Impfdosis nötig ist. Wie beurteilen Sie das?
Es ist gut möglich, dass es zu einer dritten Impfung kommen wird – abhängig von der Durchimpfung, der Schutzdauer der Impfung, der Viruszirkulation einschliesslich von Virusmutanten. Ob weitere Impfungen danach nötig sein werden und in welchen Abständen, ist für mich noch verfrüht abzuschätzen.
Christoph Berger ist Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EFIK). Aus der Feder der EFIK stammen die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegebenen Impfempfehlungen. Berger ist Kinderarzt und Infektiologe und leitet die Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich.
Christoph Berger ist Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (EFIK). Aus der Feder der EFIK stammen die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) herausgegebenen Impfempfehlungen. Berger ist Kinderarzt und Infektiologe und leitet die Abteilung Infektiologie und Spitalhygiene am Kinderspital Zürich.
Neu sollen Corona-Genesene nur noch eine Impfdosis erhalten. Spielt dabei eine Rolle, wie lange die Erkrankung her ist?
Grundsätzlich nicht. Wir wissen, dass der Immunschutz nach einer Infektion etwa sechs Monate anhält, darum empfehlen wir, erst dann zu impfen. Wenn jemand erst Monate später zu seiner Impfdosis kommt, ist er in dieser Übergangszeit nicht geschützt, aber ab der Impfung ist der Schutz gleich gut.
Gibt es öfter Nebenwirkungen, wenn man schon Corona hatte?
Nach der zweiten Impfdosis ja, das haben wir gehäuft beobachtet. Die Nebenwirkungen sind nicht schlimm, meist geht es um Kopfschmerzen oder Fieber, aber sie sind unangenehm und unnötig.
Neu sollen Nicht-Risikogruppen nach einer Erkrankung sechs Monate warten. Angenommen jemand hat schon einen Termin – soll er diesen nun absagen?
Grundsätzlich ja. Allerdings plädiere ich dafür, das zumindest jetzt, in der Übergangsphase, nicht knallhart umzusetzen. Wenn jemand jetzt schon einen Termin hat und die Impfdosis unbedingt will, soll er den auch wahrnehmen. Abgesagte oder verschobene Termine verursachen letztlich wieder mehr Administration und verlangsamen das Impftempo.
In der Strategie sind nur Studien bei Personen mit Symptomen erwähnt. Was gilt bei Personen, die zwar positiv getestet wurden, aber nie Symptome hatten?
Da ist die wissenschaftliche Evidenz nicht so klar. Vielleicht sind diese etwas weniger lang geschützt als Personen, die Symptome hatten. Das zu unterscheiden, ist aber in der Umsetzung schwierig. Darum empfehlen wir allen mit positivem PCR-Test nur eine Dosis. Es gibt da ein gewisses Risiko, aber sonst bräuchte es jedes Mal eine ärztliche Untersuchung – und das würde das Impftempo wiederum verlangsamen.
Blick hat bei den Kantonen nachgefragt. Bis Donnerstag hatten die meisten noch nicht einmal Pläne, wie sie die neue Strategie umsetzen wollen. Hätten Sie sich hier mehr Tempo gewünscht?
Die Umsetzung wird sicher eine Herausforderung für die Kantone, das ist mir klar. Ich hoffe, die Strategie wird möglichst unkompliziert umgesetzt. Wenn jemand ein Attest eines positiven Tests hat, würde ich das gelten lassen.
Macht die neue Strategie nicht auch das Impfzertifikat komplizierter?
Idealerweise müssen Betroffene die Möglichkeit haben, statt der zweiten Impfung das Testresultat hochzuladen. Wie das genau gelöst wird, kann ich nicht sagen – ich bin kein IT-Experte.
Die neue Impfstrategie dürfte viele Impfdosen sparen. Geht es jetzt schneller vorwärts?
In der Schweiz gibt es etwa eine halbe Million Menschen, die Covid schon hinter sich haben – ich habe keine Ahnung, wie viele davon schon geimpft sind. Verteilt auf 26 Kantone dürfte das keinen gewaltigen Unterschied machen. Wichtiger ist jetzt, alle Impfdosen möglichst schnell zu verabreichen. Das wird einen grösseren Einfluss haben als die Genesenen mit nur einer Dosis.
Das könnte zig Impfdosen sparen: Wer Corona schon hinter sich hatte, soll künftig nur noch einen Piks erhalten statt zwei. So will es die angepasste Impfstrategie des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Denn eine Erkrankung und eine Impfdosis bringe etwa den gleichen Schutz wie keine Erkrankung und zwei Piks.
Bei unter 65-Jährigen empfehlen das BAG und die Eidgenössische Impfkommission zudem neu, sechs Monate bis zum Impftermin zu warten, bei Risikogruppen drei Monate.
Rudolf Hauri, oberster Kantonsarzt der Schweiz begrüsst die Anpassung. «Dadurch stehen Impfdosen für grössere Teile der Bevölkerung zur Verfügung», sagt er. Hoffnungen, dass sich das Impftempo nun deutlich steigert, entkräftigt Hauri allerdings. Zwar gibt es dadurch etwas mehr Stoff, aber: «Der Impfstoff wird dennoch in den nächsten Wochen weiterhin nicht die Nachfrage abdecken.» Das Impftempo steigern können nur grössere Liefermengen.
Kantone zuständig
Die schöne neue Impfstrategie muss erst auch noch umgesetzt werden. Das BAG verweist auf Anfrage auf die Kantone. Und die sind grösstenteils noch nicht so weit. Beispiel Hauris eigener Kanton Zug: Das müsse nun erst angegangen werden, sagt er. Wie viele der etwa 7300 Zuger Corona-Genesenen schon geimpft sind, wisse man nicht.
Ähnlich klingt es in Bern, Aargau, Schaffhausen oder Baselland. Klar ist: Voraussichtlich wird es in der Verantwortung der Betroffenen liegen, auf ihre Zweitimpfung zu verzichten. «Aus Datenschutzgründen haben wir keinen Zugang zu dieser Informationen», heisst es etwa aus Bern.
Wer aber positiv getestet wurde, erhalte eine Isolationsanordnung vom Kanton, die als Nachweis der Erkrankung dienen kann. So handhabt es etwa der Kanton Zürich, der mit der Umsetzung schon weiter ist: Wer nur eine Impfdosis braucht, solle das laborbestätigtes Testresultat oder ein ärztliches Attest mitbringen.
Das könnte zig Impfdosen sparen: Wer Corona schon hinter sich hatte, soll künftig nur noch einen Piks erhalten statt zwei. So will es die angepasste Impfstrategie des Bundesamts für Gesundheit (BAG). Denn eine Erkrankung und eine Impfdosis bringe etwa den gleichen Schutz wie keine Erkrankung und zwei Piks.
Bei unter 65-Jährigen empfehlen das BAG und die Eidgenössische Impfkommission zudem neu, sechs Monate bis zum Impftermin zu warten, bei Risikogruppen drei Monate.
Rudolf Hauri, oberster Kantonsarzt der Schweiz begrüsst die Anpassung. «Dadurch stehen Impfdosen für grössere Teile der Bevölkerung zur Verfügung», sagt er. Hoffnungen, dass sich das Impftempo nun deutlich steigert, entkräftigt Hauri allerdings. Zwar gibt es dadurch etwas mehr Stoff, aber: «Der Impfstoff wird dennoch in den nächsten Wochen weiterhin nicht die Nachfrage abdecken.» Das Impftempo steigern können nur grössere Liefermengen.
Kantone zuständig
Die schöne neue Impfstrategie muss erst auch noch umgesetzt werden. Das BAG verweist auf Anfrage auf die Kantone. Und die sind grösstenteils noch nicht so weit. Beispiel Hauris eigener Kanton Zug: Das müsse nun erst angegangen werden, sagt er. Wie viele der etwa 7300 Zuger Corona-Genesenen schon geimpft sind, wisse man nicht.
Ähnlich klingt es in Bern, Aargau, Schaffhausen oder Baselland. Klar ist: Voraussichtlich wird es in der Verantwortung der Betroffenen liegen, auf ihre Zweitimpfung zu verzichten. «Aus Datenschutzgründen haben wir keinen Zugang zu dieser Informationen», heisst es etwa aus Bern.
Wer aber positiv getestet wurde, erhalte eine Isolationsanordnung vom Kanton, die als Nachweis der Erkrankung dienen kann. So handhabt es etwa der Kanton Zürich, der mit der Umsetzung schon weiter ist: Wer nur eine Impfdosis braucht, solle das laborbestätigtes Testresultat oder ein ärztliches Attest mitbringen.