Nach Ansicht des Präsidenten der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (Ekif) bedroht die Omikron-Variante des Coronavirus die allgemeine Versorgung in der Schweiz. Nicht nur in den Spitälern drohten Probleme, sagte Christoph Berger der «Samstagsrundschau» von Radio SRF. Mit Impfen und Boostern allein lasse sich die Situation nicht bewältigen.
Die Situation laufe wahrscheinlich aus dem Ruder, warnte Berger. Wenn sich die Neuansteckungen alle zwei bis drei Tage verdoppelten, komme man zu Zahlen, bei denen es - etwa wegen Personalengpässen - generell schwierig werde.
Dies sei eine neue Dimension, betonte er. Entsprechend sei die Zahl der Hospitalisationen nicht mehr das einzige Kriterium, das es zu beachten gelte. Die Impfung sei dabei nur eine Massnahme - ohne andere Schritte gehe es nicht.
«Grossveranstaltungen lieber meiden»
Konkrete politische Empfehlungen wollte Berger, Kinderarzt am Kinderspital Zürich, nicht machen. Über das weitere Vorgehen müssten der Bundesrat und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) entscheiden.
Er persönlich würde in der derzeitigen Lage Grossveranstaltungen meiden, sagte Berger. Dabei gehe es um Eigenverantwortung: «Man muss nicht nur machen, was der Bundesrat sagt». Schutzmassnahmen wie Abstand halten oder Maskentragen seien hinreichend bekannt.
Booster-Empfehlung hätte früher kommen können
Berger wurde in den vergangenen Wochen in der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit den Auffrischimpfungen hart kritisiert. Dies insbesondere weil in der Schweiz die Empfehlung für die sogenannte Booster-Impfung später kam als etwa in Israel.
Berger erklärte dazu, es mache in dieser Frage einen grossen Unterschied, ob man das Individuum vor einem schweren Verlauf schützen wolle - oder die ganze Bevölkerung vor der Ausbreitung des Virus.
Rückblickend hätte die Ekif die Booster-Impfung für über 65-Jährige zwei oder drei Wochen vorher empfehlen können, räumte Berger ein. Sobald im Herbst klargeworden sei, dass es bei dieser Gruppe viele Impfdurchbrüche gebe, habe man aber rasch reagiert.
Grundimmunität kommt
Was den Booster für die allgemeine Bevölkerung angeht, muss laut dem Ekif-Präsidenten differenziert werden: Wenn in anderen Ländern bereits über eine vierte Impfung diskutiert werde, sei das zwar aus epidemiologischer Sicht sinnvoll. Langfristig solle die Impfung aber dem Schutz vor schwerer Erkrankung dienen.
Irgendwann werde die Bevölkerung eine Grundimmunität haben, zeigte sich Berger zuversichtlich. Auffrischimpfungen seien dann nur noch für besonders gefährdete Personen nötig.
Offene Schulen wichtiger als Impfung
Gegen Kritik, die Impf-Empfehlung für Kinder sei zu zurückhaltend, wehrt sich der Experte. Bei der Kinderimpfung müsse der Entscheid ein individueller sein, bekräftigte Berger frühere Aussagen. «Wir können nicht Kinder impfen, um zu kompensieren, was die Erwachsenen nicht machen.»
Er mache sich zudem Sorgen, dass zu viel Druck dazu führen könnte, dass Eltern ihre Kinder bei anderen Krankheiten nicht mehr impfen – etwa gegen Hirnhautentzündungen. Letztere seien für Kinder wichtiger als die Corona-Impfung.
Ohnehin sei für die Entwicklung der Kinder am wichtigsten, dass die Schulen offen blieben. «Für die Kinder waren die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie schlimmer als das Virus.» (gbl/SDA)