FDP-Ständerat Martin Schmid (54) steht unter Strom – und möglicherweise kurz vor einem grossen Erfolg. Die Umweltkommission des Ständerates hat kürzlich bekannt gegeben, dass neu auch das Bündner Laufwasserkraftwerk Chlus bevorzugt gebaut werden soll.
Massgeblich für den Entscheid verantwortlich ist Ständerat Schmid. Sein Einsatz hat einen fahlen Beigeschmack. Bis vor zwei Wochen sass Schmid im Verwaltungsrat der Repower AG. Das Unternehmen plant das Wasserkraftwerk Chlus im Prättigau und im Bündner Rheintal. Auch die «NZZ am Sonntag» berichtet darüber.
«Das Wasserkraftwerk Chlus ist ein extrem gutes Projekt», sagt Schmid gegenüber der «Südostschweiz». Chlus gewähre eine Zusatzproduktion von rund 240 Gigawattstunden pro Jahr, sei ökologisch und werde von den Gemeinden unterstützt. «Trotzdem kommen wir nicht weiter.»
Lange im Verwaltungsrat
Doch verfolgt Schmid in der Kommission eigene Interessen? Immerhin stellte er selbst den Antrag, das Projekt ins Gesetz zu schreiben. Gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagte er, er hätte sein Mandat offengelegt, zudem sei er nicht mehr im Verwaltungsrat. «Graubünden soll auch seinen Beitrag an eine erneuerbare, sichere Stromversorgung leisten», antwortet Schmid auf eine entsprechende Frage in der «Südostschweiz». Für Blick war Schmid nicht zu erreichen.
Dass er – statt Vorschläge zu machen – in der Kommission hätte in den Ausstand treten müssen, glaubt er nicht. «Ich bin leider nicht Aktionär.» Der Bundesrat habe in seiner Botschaft zum Ausbau der erneuerbaren Energien das Projekt Chlus sogar namentlich erwähnt. «Von Chlus profitieren die Gemeinden und der Kanton von den Wasserzinsen, den Steuereinnahmen und auch den Arbeitsplätzen, die damit bei Repower gesichert werden, aber auch die Schweiz mit zusätzlichem Strom.»
«Man kann nicht willkürlich ein Projekt im Gesetz schreiben»
Die Grünen-Ständerätin Lisa Mazzone (35) stört das Vorgehen. Sie unterstützt darum einen Minderheitsantrag. «Man kann nicht willkürlich ein Projekt ins Gesetz schreiben.» Sie findet auch das Vorgehen in der Kommission unangebracht. Das Geschäft sei schon in der Schlussphase – es gehe nur noch darum, Differenzen mit dem Nationalrat zu klären. «Jetzt wird hier ein Kompromiss wieder geöffnet», so Mazzone. «Es geht nicht, im Eiltempo, mit null Informationen, über ein einzelnes Projekt zu entscheiden.»
Ihr Widerstand richtet sich aber nicht gegen das Wasserkraftwerk an sich. «Chlus scheint ein interessantes Projekt zu sein, das unabhängig von diesem Gesetz realisiert werden kann», so Mazzone. «Chlus sollte vom bundesrätlichen Vorschlag zur Verfahrensbeschleunigung profitieren.»
Runder Tisch für mehr Winterstrom
Die Bündner kämpfen schon länger für «ihr» Wasserkraftwerk. An einem runden Tisch zum Thema Wasserkraft, den alt Bundesrätin Simonetta Sommaruga (63) und die Kraftwerksbranche 2020 durchführten, einigte man sich auf 15 Projekte, die in erster Priorität gebaut werden sollen. Chlus war nicht dabei. Die Produktionsmenge ist zu gering, und es wird weniger Winterstrom produziert als bei anderen Projekten.
Wer auf der Liste ist, bekommt ein beschleunigtes Verfahren. Zudem gilt es als nationales Interesse, was Vorteile bringt, wenn es zu Einsprachen kommt. Geht es nach Schmid, soll Chlus gleich behandelt werden, wie jene Projekte, die am runden Tisch verabschiedet wurden.
SP-Ständerat Roberto Zanetti (68) sass für den Fischereiverband ebenfalls am runden Tisch Wasserkraft. Zu Schmids Vorschlag habe er sich enthalten und unterstützte auch den Minderheitsantrag nicht. «Ich habe mich noch nicht endgültig entschieden. Irgendwie passt das Projekt nicht in die Konzeption des Runden Tisches, da zwar mehr Strom, aber leider nicht zusätzlicher Winterstrom produziert wird. Die Aufnahme des Projektes in die Liste der Runder-Tisch-Projekte erfolgte ein bisschen zufällig und willkürlich. Für einen endgültigen Entscheid brauche ich noch mehr Informationen.»
Schon Martullo-Blocher probierte es
Auch SP-Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel (62) sass als Pro-Natura-Präsidentin am runden Tisch. Dass die 15 anderen Projekte jetzt gefährdet sind, glaubt sie nicht. Trotzdem stellt sie sich gegen das Projekt. «Die Wasserkraft ist zu 95 Prozent ausgenutzt. Man muss die Ressourcen jetzt für Projekte verwenden, die Sinn machen, zum Beispiel die Solarenergie.»
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Bündner Powerplay für das Wasserkraftwerk Chlus läuft. Bereits im Nationalrat versuchte Magdalena Martullo-Blocher (53) mit einem Einzelantrag nur wenige Tage vor der Debatte, das Wasserkraftwerk durchzudrücken. Sie scheiterte im Rat knapp. Gut möglich, dass die grosse Kammer nochmals darüber entscheiden muss.