Der Nationalrat steht unter Strom! Während rund zehn Stunden diskutierte er über das Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien. Dessen Zweck: Um die beschlossene Energiewende zu schaffen, sollen im Energie-, im Stromversorgungs- und im Raumplanungsgesetz zahlreiche Massnahmen verankert werden.
Die Diskussionen sind zwar auf einem mehrheitsfähigen Weg, aber noch muss einiges getan werden, um einen Absturz der Vorlage zu verhindern. Die zentrale Frage lautet: Wie sehr soll die Umwelt in Mitleidenschaft gezogen werden, damit wir genug Strom haben?
Hier haben sich die Umweltschützer durchgesetzt
Der Nationalrat fällte einige Entscheide im Sinne des Umweltschutzes. In Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten sollen auch künftig keine Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen entstehen. Der Nationalrat korrigierte damit einen Entscheid des Ständerats. Ob dieser aber einlenkt, ist offen.
Hier haben sich die Umweltnutzer durchgesetzt
Der Nationalrat will, dass bei neuen Wasserkraftwerke keine Restwasservorschriften gelten sollen. Dabei geht es um die Menge Wasser, die beispielsweise in einem Fluss verbleiben muss, wenn von dort Wasser für die Stromgewinnung genutzt wird. Mit den geltenden Vorschriften seien die definierten Ziele nicht erreichbar, lautete das Argument. Der Ständerat muss auch noch zustimmen. Schliesst er sich an, erhöht sich das Risiko eines Referendums.
Wo hat man sich gefunden?
Bei der Wasserkraft, die den grössten Anteil am Ausbau haben soll, stellen National- und Ständerat 15 neue Wasserkraftprojekte ins Zentrum. Damit diese so schnell wie möglich umgesetzt werden können, sollen die Verfahren beschleunigt werden. Das Interesse an einer Realisierung geht anderen Interessen von nationaler Bedeutung grundsätzlich vor. Die Umweltverbände sind damit einverstanden, weil eine Interessenabwägung möglich bleibt. Ausserdem soll es Ausgleichsmassnahmen zum Schutz von Landschaft und Biodiversität geben.
Weitgehende Einigkeit herrscht auch bei Effizienzmassnahmen im Gebäudebereich. Zahlreiche von SP, Grünen und GLP befürwortete Anträge – etwa die obligatorische Sanierung von Elektroheizungen oder das Verbot von Elektroboilern – wurden wie im Ständerat abgelehnt.
Wie schon der Ständerat hat auch der Nationalrat einstimmig beschlossen, eine gesetzliche Grundlage für die Energiereserve zu schaffen. Neu sollen die Betreiber von grösseren Speicherwasserkraftwerken jedoch verpflichtet sein, sich an der Energiereserve zu beteiligen.
Mehr zur Energiewende
Ein weiteres Thema bei den Beratungen zum sogenannten Energie-Mantelerlass war die vollständige Strommarktöffnung. Wie im Ständerat ist dies auch im Nationalrat kein Thema mehr. Somit haben weiterhin einzig Endverbraucher mit Bezügen von mehr als hundert Megawattstunden im Jahr Zugang zum freien Markt.
Der Nationalrat beschloss weiter eine Solarpflicht ab 2030 auf geeigneten neuen Fahrzeugabstellplätzen ab einer Fläche von 250 Quadratmetern. Bestehende Abstellplätze ab 500 Quadratmeter sollen bis 2035 mit Solarpanels ausgestattet werden.
Schliesslich legte das Parlament neue Verbrauchsziele fest. Der durchschnittliche Energieverbrauch pro Person und Jahr ist gegenüber dem Stand im Jahr 2000 bis zum Jahr 2035 um 43 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 53 Prozent zu senken. Der durchschnittliche Elektrizitätsverbrauch pro Person und Jahr ist gegenüber dem Stand im Jahr 2000 bis zum Jahr 2035 um 13 Prozent und bis zum Jahr 2050 um 5 Prozent zu senken.
Was ist sonst noch umstritten?
Laut Nationalrat müssen bei Neubauten und erheblichen Um- und Erneuerungsbauten insbesondere bei Sanierung des Dachs Solarpanels installiert werden. Kommt das durch, droht die SVP mit dem Referendum gegen die Vorlage.
Wie geht es weiter?
Die Vorlage geht nun zur Bereinigung der zahlreichen Differenzen zurück an den Ständerat. Energieminister Albert Rösti (55) appellierte am Ende der Marathondebatte an die Parlamentsmitglieder, in den kommenden Monaten eine mehrheitsfähige Lösung zu erarbeiten. «Es gibt keinen Plan B, wenn dieses Gesetz scheitern sollte.»