Darum gehts
- Viola Amherd übergibt das Verteidigungsdepartement nach einer herausfordernden Amtszeit
- Erste Frau im VBS, brachte frischen Schwung und gewann Kampfjetabstimmung
- Armeeausgaben werden bis 2030 erhöht, Amherd kämpfte für Bilaterale
Fertig, Schluss! Heute übergibt Bundesrätin Viola Amherd (62) den Schlüssel fürs Verteidigungsdepartement an ihren Nachfolger Martin Pfister (61). Für die Walliserin heisst das – ganz im Militärjargon: «Lilö». Lichterlöschen im Bundeshaus. Blick schaut in Bildern auf ihre Amtszeit zurück und zieht Bilanz.
Die Unbekannte
«Wer ist das?», dürften sich die meisten Schweizerinnen und Schweizer gefragt haben, als Viola Amherd 2018 ihre Kandidatur für die Nachfolge von Doris Leuthard (heute 61) verkündete. National bekannt war die Walliser CVP-Nationalrätin und Briger Stadtpräsidentin nicht. Aber Amherd war zielstrebig und hatte sich in der Walliser CVP durchgesetzt, einer harten Schule für angehende Politiker, die vielleicht gerade deshalb immer wieder Talente hervorbringt.
Die Siegerin
Und sie holte sich den Sitz.«Viola Amherd weiss, wie sie ihre Ziele erreicht: selten über die Hauptstrasse, meist über kleine Gässchen und verschlungene Wege» schrieb mal die NZZ. Am 5. Dezember 2018, um 9.21 Uhr, hiess es im Bundeshaus nach nur einem Wahlgang: «Gewählt ist, mit 148 Stimmen: Viola Amherd». Gemeinsam mit der am selben Tag gewählten St. Gallerin Karin Keller-Sutter (61) legte Amherd den Amtseid ab. Das Verhältnis zwischen den beiden schien herzlich. Doch es wird sich noch ändern.
Der grosse Erfolg
Ein Gang für die Geschichtsbücher: Am 30. Juni 2021 marschierte Viola Amherd zu einer Medienkonferenz, an der sie bekanntgab: Der Bundesrat will den US-Kampfjet F 35 kaufen. Es wurde zum grössten Erfolg der Verteidigungsministerin: Während Vorgänger Ueli Maurer (heute 74) mit dem Gripen beim Volk eine Bruchlandung bescherte, holte Amherd in der Volksabstimmung eine hauchdünne Mehrheit für den neuen Kampfjet.
Der Schatten
Wo Viola Amherd war, war Brigitte Hauser-Süess (70, links im Bild) meist nicht weit. Die Bundesratsberaterin war Amherds engste Vertraute, Einflüstererin, Strippenzieherin. Aber immer im Hintergrund. «Kann Amherd nicht ohne sie?» fragten sich viele in Bern. Amherd beschäftigte ihre Vertraute auch nach dem zwingenden Pensionsalter von 70 weiter, mittels üppiger Beraterverträge. Ende 2024 war dann definitiv Schluss für Hauser-Süess, das Mandat lief aus. Wenige Tage später gab auch Amherd ihren Rücktritt bekannt.
Die erste Frau
Es war nicht ihr Wunschdepartement: Viola Amherd wurde ins Verteidigungsdepartement gezwungen. Als erste Frau überhaupt! Das VBS bekam im Laufe ihrer Amtszeit immer mehr Gewicht, wurde mit dem Ukraine-Krieg gar zum Schlüsseldepartement. Und Amherd blieb im Gegensatz zu ihren SVP-Vorgängern, die jeweils rasch das Weite gesucht hatten. Amherd brachte neuen Schwung in die Männerdomäne. Die gezielte Förderung von Frauen und eine Offensive zur CO2-Reduktion waren erste Schwerpunkte, die sie setzte. In konservativeren Kreisen schüttelte man die Köpfe. Doch gerade beim Kampfjetkauf half Amherds Frauenoffensive: Gezielt warb die Bundesrätin mit Kampfjetpilotin Fanny Chollet (34) für den den neuen Flieger F 35. Das hauchdünne Ja gab es auch, weil die Frauen jetzt Ja stimmten.
Die Internationale
Viola Amherd (hier bei einem Treffen mit Boris Pistorius und Klaudia Tanner, ihren Amtskollegen aus Deutschland und Österreich) trieb die internationale Kooperation mit befreundeten Staaten, auch der Nato, voran. Hier war ihre Handschrift erkennbar, ebenso bei der Stärkung der Cybersicherheit und der Schaffung eines Staatssekretariats für Sicherheitspolitik.
Die Mobilmacherin
Covid war eine Zäsur. Und Viola Amherd war als Bundesrätin mittendrin und entschied per Notrecht mit. Die Armee selbst unterstützte Spitäler, es war die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Der Höhepunkt
Über den direkten Erfolg kann man sich streiten, aber die Ukrainekonferenz auf dem Bürgenstock lockte hohe Staatsgäste aus der ganzen Welt in die Schweiz. Gastgeberin: Bundespräsidentin Viola Amherd.
Die Gmögige
Viola Amherd war nicht nur Verteidigungsministerin, sondern auch für den Sport zuständig. Auch da zeigte sie sich beim Volk. Lange Zeit war sie die beliebteste Bundesrätin, aufgrund ihrer Bodenständigkeit, ihrer Volksnähe und ihres bescheidenen Auftretens, das jegliche Starallüren vermissen liess.
Der Knall
Es lief gegen Ende der Amtszeit von Viola Amherd nicht mehr rund. Pannen bei mehreren grossen Millionenprojekten. Fehlendes Geld, eine Armee mit eingeschränkter Verteidigungsfähigkeit. Dann kochte noch ein Korruptionsskandal beim Rüstungsbetrieb Ruag hoch. Eine Reorganisation des Nachrichtendienstes sorgte für höchst unzufriedene Mitarbeitende. Man warf Amherd vor, es gebe keine Strategie für die Armee. Der Bundesrat schoss ein neues Dienstmodell ab, an dem Amherd jahrelang gearbeitet hatte. An Amherd prallte das nicht ab. Die Folge all der Kritik: Eine denkwürdige Pressekonferenz. Selten sah die Schweiz eine Bundesrätin öffentlich so genervt auftreten. Trotzig knallte Amherd diverse Berichte auf den Tisch, um ihren Kritikern zu zeigen: Es ist doch alles da, was ihr wollt.
Die Widersacherin
Bis 2030 werden die Armeeausgaben erhöht. Doch es gab Rufe nach mehr Geld. Die grosse Frage immer: Wie werden Mehrausgaben gegenfinanziert? In ihren Bemühungen lief Amherd bei ihrer Kollegin Karin Keller-Sutter (61) mehrfach auf. Das Verhältnis galt zuletzt als eher schwierig. Mit dem SVP-FDP-Viererblock, den Keller-Sutter anführt, hatte Amherd im Bundesrat immer weniger auszurichten.
Der letzte grosse Erfolg
Am 20. Dezember gab es hohen Besuch in Bern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (67) reiste in die Schweiz – und traf auf eine strahlende Viola Amherd. Die beiden Spitzenpolitikerinnen, die sich schon lange kennen, feierten den Abschluss der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU. In einem Bundesrat, der sich im EU-Dossier überaus zurückhaltend zeigt, galt Amherd als diejenige bürgerliche Vertreterin, die vorbehaltlos für die Bilateralen kämpft.
Der Exodus
Als ob nicht alles genug wäre, als ob der Abgang von Viola Amherd nicht schon Zäsur genug wäre für das skandalgebeutelte Verteidigungsdepartement: Ende Februar wird bekannt, dass auch Armeechef Thomas Süssli (58) und Nachrichtendienst-Chef Christian Dussey (60) den Abgang machen. Amherd wusste es seit Wochen, teilte es den Bundesratskollegen aber nicht mit. Die Kündigungen wurden vorzeitig in den Medien bekannt. Nochmals ein Leak, ein weiterer Tiefschlag für die Verteidigungsministerin.
Das Fazit
Es ging zu Beginn steil bergauf. Und am Ende vor allem bergab. Viola Amherd gelang ein glanzvoller Start als erste Frau im Verteidigungsdepartement. Sie holte Sympathiepunkte bei der Bevölkerung. Sie gewann die Kampfjetabstimmung. Und sie brachte frischen Schwung. Gegen Ende der Amtszeit erlebte Amherd auf dem internationalen Parkett Sternstunden. In der Schweiz selbst aber lief es nicht mehr rund. Pleiten, Pech und Pannen überschatten den Abgang. Historiker werden die Amtszeit später vielleicht doch etwas leuchtender zeichnen.