Die meisten Parlamentarier unter der Bundeshauskuppel und viele Regierungsräte in den Kantonen würden ihn als Traumjob bezeichnen: die Arbeit als Bundesrat. Man ist gefragt, wird umworben und vertritt die Schweiz in der ganzen Welt. Es ist eine glanzvolle, eine ehrenhafte Aufgabe.
Gleich zwei der sieben beliebten Sitze sind am 5. Dezember neu zu besetzen. Denn diese Woche haben mit Johann Schneider-Ammann (66, FDP) und Doris Leuthard (55, CVP) gleich zwei Magistraten ihren Rücktritt per Ende Jahr bekannt gegeben.
Doch nicht immer ist alles Gold, was glänzt. Der Job als Landesmutter oder -vater ist nicht nur Privileg, sondern auch Last. Ein Knochenjob.
Sogar Leuthard wurde amtsmüde
Die Abtretenden selbst sind die jüngsten Beispiele, das zu illustrieren. Ihm, Schneider-Ammann, ist die Müdigkeit, die Last und vielleicht sogar die Überforderung des Amtes schon länger anzusehen. Regelmässig soll er an Bundesrats- und Kommissionssitzungen schon eingenickt sein. Bei seiner Rücktrittsankündigung scherzte Schneider-Ammann zwar: «Es geht mir gut, ich bin wach», doch die Erleichterung ob des Rückzugs – nach acht Jahren im Amt – konnte er damit nicht kaschieren.
Ähnliches bei Leuthard, die seit 2006 im Bundesrat sitzt. Sie versuchte erst gar nicht, eine gewisse Amtsmüdigkeit zu bestreiten, bevor sie den Tränen nahe erklärte, dass sie sehr gerne Bundesrätin war. Würde und Bürde zugleich – so könnte man das Bundesratsamt zusammenfassen.
Reisestrapazen und 90-Stunden-Woche
Leuthard meinte ausserdem, dass sich der Job während ihrer Amtszeit verändert habe. Dies habe vor allem mit der zunehmenden internationalen Vernetzung zu tun. Die Bundesräte müssen viel mehr reisen als früher, um die Beziehungen zu Nachbar- und Drittstaaten zu pflegen und stets über aktuelle internationale Entwicklungen im Bilde zu sein. Da lassen sich viele Flugmeilen sammeln. Schneider-Ammann beispielsweise jettete allein in seinem Präsidialjahr 2016 fast dreimal um die ganze Welt.
Doch auch ohne Reisestrapazen ist Bundesrat fast ein 24/7-Job. Ueli Maurers (67) Arbeitsaufwand soll täglich rund 20 Stunden betragen – um 6.30 Uhr finden regelmässig die ersten Sitzungen statt. Auch Leuthard bezifferte einst ihren Arbeitsaufwand auf 90 Stunden pro Woche.
40 Prozent verstarben zwischen 1848 und 1919 im Amt
Das Bundesratsamt ist für den Körper eine Herausforderung. Zwischen 1848 und 1919 verstarben fast 40 Prozent der Bundesräte im Amt, wie Historiker und Bundesratskenner Urs Altermatt in der NZZ einst schrieb. Auch in den letzten 40 Jahren waren Erkrankungen keine Seltenheit.
Jüngste Beispiele sind etwa Hans-Rudolf Merz (75), der 2008 einen Herzinfarkt erlitt – just, als die Finanzkrise in der Schweiz angekommen war und die UBS gerettet werden musste. Oder Joseph Deiss (72), der sich während seiner Amtszeit gleich zweimal hospitalisieren lassen musste – 2004 wegen einer Nierenstein-Behandlung und 2006 wegen einer Diskushernie.
Mehr und komplexere Geschäfte
Doch nicht nur der Körper muss ans Limit, auch der Geist. Immer mehr Geschäfte werden an den Bundesrat herangetragen, die zudem stets komplexer werden – auch zum Teil der Internationalität geschuldet. Er oder sie muss Geschäfte bearbeiten und vorbereiten. Ein Bundesrat vertritt das Land gegen aussen und innen und führt ein Departement.
Schneider-Ammann sagte diese Woche vor dem Swiss Media Forum mit entwaffnender Offenheit, die ersten zwei, drei Amtsjahre seien schwierig gewesen, viele Dossiers habe er nicht gut genug gekannt: «Ich kam mir vor wie ein Zweitklässler.» Im zweiten Amtsjahr habe er ernsthaft überlegt, ins Unternehmen zurückzukehren. Doch seine Frau habe ihn davon abgehalten. «Jetzt kapitulierst du nicht, sonst machst du denen noch eine Freude», habe sie damals gesagt.
Der Job wird anspruchsvoller
Ein Bundesrat muss aber nicht nur verwalten, sondern auch gestalten. Neben den vielen Entscheiden, die die Landesregierung fällen muss, gilt es auch, das Land und die Dossiers voranzutreiben und Neues aufzugleisen. Angesichts der aktuellen politischen Lage keine leichte Aufgabe:
- Die Beziehungen zur EU sind verhärtet, Fortschritte gibt es, wenn überhaupt, nur kleine.
- Die Steuerreform ist noch immer nicht unter Dach und Fach – der Schweiz droht der Platz auf der schwarzen Liste.
- Die Sozialwerke drängen seit zwanzig Jahren auf eine Reform, das Geld wird langsam aber sicher knapp.
- Und auch die Migration bleibt Dauerbrenner.
Da erstaunt es nicht, dass Schneider-Ammann nach acht und Leuthard nach zwölf Jahren nicht mehr mögen. Es brauche neue, unverbrauchte Kräfte, betonten beide Abtretenden diese Woche. Denn sie wissen, wie sehr das Amt des Bundesrats sie selbst gefordert hat.