Heimlichtuerei rund um EU-Deal
Der EU-Vertrag muss auf den Tisch!

Ausgewählte Parlamentarier dürfen den Vertragsentwurf für den EU-Deal anschauen. Doch die Bevölkerung und der Rest des Parlaments dürfen nicht wissen, was drin steht. Blick findet: Das ist seltsam!
Publiziert: 23.04.2025 um 14:23 Uhr
|
Aktualisiert: 23.04.2025 um 16:03 Uhr
1/5
Ein Mann der leisen Worte: Aussenminister Ignazio Cassis weibelte bisher nicht für den EU-Deal.
Foto: Keystone
LucienFluri05.jpg
Lucien FluriCo-Ressortleiter Politik

Wie seltsam ist das denn! Seit Monaten müsste der neue Deal zwischen der Schweiz und der EU zuoberst auf der Politagenda stehen. Donald Trump (78) bringt die Weltwirtschaft gerade durcheinander. Er räumt mit der alten Weltordnung auf, in der es der Schweiz ganz gut ging. Im Osten führt Wladimir Putin (72) einen Krieg, der Europa direkt betrifft.

Wo steht da die Schweiz? Welche Beziehungen will sie zu ihren Nachbarn? Nichts läge näher, als dies zu debattieren.

Doch der Bundesrat behandelt den Deal wie ein Stiefkind. Er hat das neue Abkommen zwar ausgehandelt, aber Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter (61) machte bereits klar: Weder sie noch ihre Kollegen haben gross Lust, sich besonders dafür einzusetzen. Und Aussenminister Ignazio Cassis (64)? Der ist gleich ganz abgetaucht. Ein einziges Interview gab er in den letzten Monaten. Zu seinem wichtigsten Dossier: keine belastbare Aussage.

Die SVP kann sich die Hände reiben

Die SP, die Mitte und die FDP können sich hinter dem Bundesrat verstecken. Weil er die Details zum Vertrag nicht verrät, umgehen Mitte und FDP das Thema, bei dem ihnen eine Spaltung droht. Erst wenn sie das ganze Vertragswerk kennen, wollen sie sich äussern, so das ständig wiederholte Credo. Doch nicht alle haben den gleichen Zugang: Einige Parlamentarier erhalten eine Vorzugsbehandlung und dürfen die Vertragsentwürfe anschauen. Sie können sich eine Meinung bilden, dürfen jedoch nicht darüber reden. In der Schweiz sind alle gleich, aber einige sind gleicher. Wie seltsam ist das denn!

Nur zwei freuen sich: zum einen die SVP. Sie befindet sich im – exzellent geführten – Dauerkampf gegen die EU, und der Bundesrat rollt ihr dafür den roten Teppich aus. Zum andern Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (57): Er machte auf Widerstand und versucht, damit das Beste für seine Klientel herauszupressen.

Selbstverständlich: Man darf keinen Vertrag unterschreiben, ohne das Kleingedruckte zu kennen. Das gilt gerade bei diesen Verträgen. Warum der Bundesrat aber ein solches Geheimnis um das Kleingedruckte macht, ist nicht klar.

Ob es erst der Entwurf ist oder die definitive Variante, spielt nicht die grösste Rolle. Denn es besteht eine Gefahr für den Bundesrat: Es wird der Kipppunkt kommen, an dem die Details gar keine Rolle mehr spielen – weil sich jeder schon eine Meinung gemacht hat, bevor er das Kleingedruckte überhaupt kennt. Der Bundesrat muss endlich auf Offensivstrategie umschalten und Gas geben. Schluss mit Geheimniskrämerei!

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?