Als «Albert Rösti der Asylpolitik» ist Pascal Schmid (47) in den Medien auch schon beschrieben worden: freundlich im Umgang, aber knallhart in der Sache. «Das passt doch gut», sagt der neue Asylchef der SVP mit einem Lausbubenlachen und nimmt einen Schluck Bier. Zusammen mit seiner Frau Rahel (39) geniesst er in Kreuzlingen am Bodensee eine Auszeit vom Trubel der vergangenen Wochen.
Seit die Partei den Thurgauer Nationalrat im Frühjahr zum Nachfolger des umstrittenen Andreas Glarner erkoren hat, ist private Zeit rar. Letzte Woche präsentierte der Anwalt und ehemalige Präsident des Bezirksgerichts Weinfelden TG den Medien das Papier zur Schweizer Asylpolitik. Er hat es zusammen mit dem Zürcher Gregor Rutz verfasste, es ist 36 Seiten lang. «Die SVP nimmt Beat Jans unter Beschuss», titelt danach die «NZZ», im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» prangert Schmid den «kompletten Kontrollverlust» im Asylsystem an und fordert strikte Kontrollen an den Grenzen. «Das Echo auf unsere Pressekonferenz war grösser als erwartet», sagt er zufrieden.
Dieser Artikel wurde erstmals in der der «Schweizer Illustrierten» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.schweizer-illustrierte.ch.
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Nur wenige Schritte von der Grenze zu Deutschland entfernt, liegen Pascal und Rahel Schmid im Liegestuhl an der Strandbar. Ihre Sommerferien in London fielen aufgrund seiner neuen Position ins Wasser. «Ich bin froh, dass Rahel mein politisches Amt nicht nur akzeptiert, sondern auch mitträgt», sagt er. Seit Schmid im Herbst in den Nationalrat gewählt wurde, hat die selbstständige Coiffeuse ihr Pensum im eigenen Salon in Weinfelden um zehn Prozent reduziert. So könne sie ihn ab und zu nach Bern an die Session begleiten. Und einen Teil seiner Mails beantworten. «Haare schneiden tue ich aber immer noch lieber», sagt sie und lacht herzhaft.
Argumentieren mit Zahlen
Durch ihren Job haben sich die beiden vor rund zehn Jahren auch kennengelernt. Damals stand das Bezirksgericht um die Ecke von Rahels Coiffure Colada. «Sie ist mir sofort aufgefallen», sagt Schmid. Er lässt sich bei ihr die Haare schneiden, bald darauf treffen sie sich im Ausgang. «Doch da gab sie mir einen Korb», erzählt er. Trotzdem sei er drangeblieben und habe ihr Herz erobert, sagt sie. «Wir ergänzen uns super. Er ist der durchorganisierte Kopfmensch, ich die kreative Chaotin.» Schmid bestätigt das: «Rahel tut mir gut.» So gut, dass er ihr vor sechs Jahren am Strand von Mexiko einen Heiratsantrag machte: «Und das, obwohl ich als Richter schon über 500 Scheidungen durchgeführt habe.»
Mit Zahlen argumentiert Schmid auch gern in der Asylpolitik. «Allein im Thurgau haben Fahrzeugeinbrüche in nur drei Jahren um das Fünffache zugenommen, 90 Prozent der Täter sind Nordafrikaner», erzählt er beim Spaziergang mit Blick auf Konstanz. Auf den Hinweis, dass an der Schweizer Ostgrenze die Zahl an Aufgriffen von illegalen Migranten von rund 4500 im 2022 auf 1077 im Jahr darauf zurückging, kontert Schmid: «Weil man aufgehört hat zu kontrollieren!» Nur wenn man wieder konsequenter sei, könne man jene Menschen, die wirklich verfolgt werden, besser schützen.
Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Andreas Glarner, der nicht davor zurückschreckt, Leute verbal zu verunglimpfen, drückt sich Schmid differenzierter aus. «Die Fakten sprechen für sich, so kann es nicht weitergehen», sagt er. In seinen zwölf Jahren als Strafrichter und als Präsident des Verbands der Kantonspolizei Thurgau habe er viel gesehen und gehört. «Wenn alle Einblick in die Fälle und die Kosten hätten, würden auch Leute, die unserer Partei fern sind, anders reden.»
Mit 22 Jahren zur SVP
Schmid wächst als Sohn eines Seklehrers und einer Kindergärtnerin im Zürcher Weinland auf. «Bei uns lief immer das ‹Echo der Zeit› im Radio, am Esstisch wurde über das Weltgeschehen diskutiert.» Politisiert hätten ihn aber nicht nur seine Eltern, sondern auch die Abstimmung zum EWR 1992. «Die SVP stand ein für unsere schöne Schweiz, das beeindruckte mich.» Mit 22 Jahren tritt Schmid, inzwischen mit der Familie in den Thurgau gezogen, der Jungen SVP bei. Sein Jurastudium hingegen absolviert er in Zürich, danach arbeitet er bei der renommierten Zürcher Wirtschaftskanzlei Homburger. «Mit Anfang 30 wollte ich eigentlich in die USA für eine Weiterbildung.»
Doch es kommt anders: Mit knapp 32 Jahren wird Schmid Präsident des Bezirksgerichts Weinfelden. «Ich wurde angefragt, dachte, ich probiers, erwartete aber nicht, dass ich gewählt werde.» In seiner Amtszeit machen zwei Fälle über die Kantons- beziehungsweise die Landesgrenzen Schlagzeilen. 2010 verfügt er gegen den zweifach vorbestraften Callgirl-Mörder Mike A. als erster Richter eine lebenslange Verwahrung. 2017 weist er den «Deal» der Staatsanwaltschaft mit Radrennfahrer Jan Ullrich zurück. «Wenn RTL mit dem Kamerawagen auffährt, staunt man schon nicht schlecht.» Im Gegensatz zu den älteren Kollegen hat er stets offene Türen für die Medien. «Mir war immer wichtig, dass die Gerichte ihre Arbeit den Leuten erklären.»
Mag Schlager – wie Bundesrat Rösti
Seit drei Jahren ist Schmid wieder als Anwalt tätig. «Ich wollte zurück an die Front, näher zu den Menschen.» Zudem lasse sich der Job besser mit der Politik vereinbaren, so Schmid, der acht Jahre im Thurgauer Grossen Rat sass und dort unter anderem für die Erhöhung der Sprachanforderung bei Einbürgerungen und die Abschaffung der Liegenschaftssteuer kämpfte.
Auch zu Hause am Esstisch ihrer Wohnung in Weinfelden ist Politik ein Thema. «Ich komme aus einem SVP-Haushalt, mein Vater hat für Pascal Wahlplakate aufgehängt, meine Mutter das Wahlbüro geleitet», sagt Bauerntochter Rahel Schmid. Nicht einig hingegen ist sich das Paar beim Thema Musik. Sie mag House, er Schlager. Eben genau wie Albert Rösti.