Auf einen Blick
Es war einmal eine Scheune. Sie war fast 100-jährig und stand in der 1300-Seelen-Gemeinde Luthern im Luzerner Hinterland. Irgendwann wurde ein Wohnhaus daran angebaut. 2015 wütete ein Sturm, die Scheune wurde beschädigt. Es war plötzlich gefährlich, das Gebäude zu betreten. Besitzer Hans Häfliger musste etwas machen.
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Was dann folgte, war leider kein Märchen mit Happy End, sondern entwickelte sich für den Mann zum Albtraum.
Keine Baubewilligung nötig?
Es fing harmlos und ganz harmonisch an. Häfliger informierte sich beim Gemeinderat, der zuständigen Behörde. Dort erklärte man ihm, dass er für sein Vorhaben keine Bewilligung brauche, da es sich ja um einen Ersatzbau handle. Sicherheitshalber legte er seine Umbaupläne dem Gemeinderat trotzdem vor und bat dessen Mitglieder, alles zu prüfen. Die meinten, das sei schon gut so, es brauche kein ordentliches Baubewilligungsverfahren, Häfliger solle alles wie geplant umsetzen.
Nur auf sein Bitten hin unterzeichneten die Gemeinderäte die Pläne. Schliesslich setzte er das Projekt um, genau gemäss Plan. «Wenn dir zwei von der Gemeinde vis-à-vis sitzen und sagen: ‹Moll, du kannst es bauen›, dann muss man denen ja auch vertrauen können!», sagt Häfliger.
Entsprechend erschüttert war er, als Jahre später plötzlich ein Brief des Kantons Luzern hereinflatterte.
Darin beschied ihm das kantonale Bauamt: Für sein Projekt wäre eine Baubewilligung mit kantonalem Entscheid zwingend gewesen. Häfliger müsse seine Scheune in den «rechtmässigen Zustand» zurückbauen, weil er sie illegal umgebaut habe.
Gemeinde setzt sich ein
Häfliger war sauer, konnte die Gemeinde aber schliesslich davon überzeugen, ihren Fehler einzugestehen und gegenüber dem Kanton zu erklären.
Im August 2023 schrieb der Gemeinderat von Luthern der Dienststelle Raum und Wirtschaft einen Brief. Man sei im weitesten Sinne von Reparatur- und Unterhaltsarbeiten ausgegangen und habe diese deshalb nicht als bewilligungspflichtig eingestuft.
Grund dafür sei unter anderem gewesen, dass es keine Vergrösserung der Fläche gegeben habe. Das Gebäudevolumen habe sogar abgenommen.
Zudem solle Häfliger, so meinte der Gemeinderat, durch das Unwetter kein Nachteil erwachsen. Hätte dieser das Gebäude nämlich über die Jahre stetig erneuert und unterhalten, hätte dies auch keine Baubewilligungspflichten nach sich gezogen. So steht es im Brief.
Und weiter: «Rückblickend muss festgestellt werden, dass die Gemeinde die Situation nicht korrekt beurteilt hat. Der Gesuchsteller hat sich auf eine falsche behördliche Zusicherung der Gemeinde verlassen.» Häfliger habe in Treu und Glauben gehandelt. Die Gemeinde bat den Kanton, die Interessenabwägung zwischen dem Vertrauensschutz und dem öffentlichen Interesse der Raumplanung erneut durchzuführen.
Doch der Kanton war nicht zu erweichen. Und so holte sich Häfliger einen Anwalt zu Hilfe. «Ich verstehe einfach nicht, warum ich bei einem Fehlentscheid der Gemeinde die Konsequenzen tragen soll. Jetzt bin ich als Bürger der Leidtragende!»
«Einfach ein Verhältnisblödsinn»
Sein Anwalt, Urs Hofstetter, ist langjähriger Experte für Baurecht. Er findet es zwar grundsätzlich richtig, dass der Kanton die Sache neu beurteilt hat. Aber er sagt, der Kanton gehe von falschen Annahmen aus.
Der Entscheid sei deshalb falsch. «Das ist das Stossende: dass sich die Dienststelle weder von der Gemeinde noch vom Bauherrn vom Gegenteil überzeugen lässt, sondern auf ihrem Standpunkt beharrt», sagt Hofstetter.
Häfliger wolle nur, dass sein Umbau nachträglich bewilligt werde. Und das sei rechtlich absolut möglich. «Auf Kantonsseite müsste man einfach zugeben: Wäre damals alles korrekt gelaufen, hätte man das Projekt bewilligt. Und deshalb gibt es auch heute keine objektiven Gründe, die dagegensprechen.»
Noch immer ist offen, was mit Häfligers Scheune jetzt passieren soll. Der nächste Schritt wäre eigentlich ein Weiterzug ans Kantonsgericht, sagt sein Anwalt. Aber ein Gerichtsverfahren koste wieder unnötig Zeit und Geld.
Eigentlich würde Hofstetter lieber die kantonale Dienststelle überzeugen und zusammen eine einvernehmliche Lösung finden. «Es ist einfach ein Verhältnisblödsinn. Für Hans Häfliger ist die Situation nicht zumutbar unter dem Aspekt von Treu und Glauben. Er hat Anspruch auf eine nachträgliche Bewilligung.»
Vorstösse im Kantonsparlament
Tatsächlich sorgt die Arbeit des Luzerner Bauamts derzeit für einigen Unmut und zahlreiche Vorstösse im Kantonsparlament. Kritisiert wird etwa die Länge der Baubewilligungsverfahren.
Auch Anwalt Urs Hofstetter kritisiert die Behörde und sagt, dass Hans Häfliger definitiv kein Einzelfall sei. Häufig seien die Zwischenberichte, die die Dienststelle zurzeit verfasse, nicht korrekt.
Die Dienststelle Raum und Wirtschaft will wegen des laufenden Verfahrens nicht Stellung nehmen. Sie antwortet mit allgemeinen Hinweisen zu den generellen Bedingungen von nachträglichen Baubewilligungen und Zuständigkeiten ausserhalb der Bauzone.
Auf die Frage zum Vertrauensschutz und zum Grundsatz von Treu und Glauben reagiert die Dienststelle mit dem Hinweis, dass das Bundesgericht diese nur sehr zurückhaltend auslege.
Der Gemeinde Luthern ist die ganze Geschichte nicht recht. Gegenüber dem Beobachter meint der Gemeinderat, dass man an einem anderen Entscheid des Kantons natürlich mehr Freude hätte. Man begreife aber auch die Haltung der Dienststelle Raum und Wirtschaft.
Über Verhältnismässigkeit könne man immer streiten, das erlebe man auch in anderen Diskussionen. Die Kompetenzen zum Bauen ausserhalb der Bauzone lägen zwar beim Kanton, aber wenn die Gemeinde eine Möglichkeit sehe, werde sie sich sicher für Hans Häfliger einsetzen.
Und was, wenn Häfliger die Scheune tatsächlich abreissen muss? Müsste dann die Gemeinde Luthern geradestehen für den Schaden? Schliesslich gibt es bei falschen Auskünften einer Behörde eine Staatshaftung.
Obwohl die Gemeinde ihren Fehler eingestanden hat, würde sie aber kaum für den Schaden aufkommen müssen, sagt Anwalt Urs Hofstetter: «Die Hürden für Staatshaftung sind sehr hoch. In der Praxis gibt es das sozusagen nie. Deshalb würden wir gegen den Abriss zuerst bis an das Bundesgericht gelangen.»