Impfbusse, Impfnächte, Impfkonzerte – Bund und Kantone legen sich in der nationalen Impfwoche ins Zeug, um Ungeimpfte doch noch vom Piks zu überzeugen. Ein Stich, der die anrollende Herbstwelle zumindest bremsen soll. «Jede Impfung zählt!», so der Schlachtruf von Gesundheitsminister Alain Berset (49). Ein konkretes Impfziel, an dem sich der Erfolg der millionenteuren Impfwoche messen sollte, mochte er hingegen nicht nennen.
Mit gutem Grund: Die massiven Anstrengungen lohnen sich bisher nur halbwegs. Die Impfkonzerte von Stress, Stefanie Heinzmann und Co. in Lausanne und Sitten wurden von Impfgegnern sabotiert, sodass die Künstler vor beinahe leeren Reihen spielen mussten. Und das Impfdorf am Zürcher Hautbahnhof wurde nicht von Ungeimpften, sondern von Seniorinnen und Senioren überrannt, die sich die Booster-Impfung abholten – samt Gratisberliner und Raclette. Gemäss der Zürcher Gesundheitsdirektion wurden im Impfdorf 670 Erstimpfungen und 121 Zweitimpfungen durchgeführt. Zusätzlich wurden im Impfdorf und an den anderen Impforten bereits 2400 Booster-Impfungen vorgenommen.
Turbo bisher nicht gezündet
So richtig der Turbo gezündet wurde in der Impfwoche bisher aber noch nicht, wie die Halbzeitbilanz zeigt. Blick hat die neuesten Impfdaten des Bundesamts für Gesundheit (BAG) ausgewertet. Demnach wurden von Montag bis Mittwoch schweizweit 44'637 Impfdosen verabreicht (wobei die Zahlen aufgrund von Nachmeldungen noch ändern können).
Im gleichen Zeitraum letzte Woche waren es 37'835 Impfungen – allerdings war da der 1. November in vielen katholischen Kantonen ein Feiertag, weshalb an diesem Tag deutlich weniger geimpft wurde. Blättert man in der Datenreihe zwei Wochen zurück, lag der Vergleichswert bei 54'514 Impfdosen. Und vor einem Monat wurden in den ersten Wochentagen über 80'000 Impfungen gezählt.
Allerdings sind in diesen Zahlen alle Impfungen inbegriffen, also nicht nur Erst-, sondern auch Zweitimpfungen. Ebenso allfällige Dritt- und mittlerweile auch Auffrischimpfungen, die in einzelnen Kantonen bereits verabreicht werden.
Ungeimpfte zaudern weiter
Legt man den Fokus auf die Erstimpfungen – und damit auf die Ungeimpften, die mit der nationalen Impfwoche ja ins Visier genommen werden –, sieht das Ergebnis nicht viel besser aus. Demnach wurden von Montag bis Mittwoch schweizweit 14'749 Personen zum ersten Mal geimpft. Im gleichen Zeitraum von letzter Woche wurden 12'339 Erstimpfungen verabreicht, zwei Wochen früher 15'018. Blickt man einen Monat zurück, waren es noch deutlich mehr: knapp 24'000 Erstimpfungen.
Das zeigt: Viele Umgeimpfte zaudern weiter. Der grosse Impfschub bleibt in der ersten Halbzeit jedenfalls aus. Das zeigt auch ein Blick in einzelne Kantone. In Solothurn liessen sich in der nationalen Impfwoche in den ersten drei Tagen 561 Personen zum ersten Mal impfen, zwei Wochen zuvor waren es 516, vor einem Monat 681. Ähnlich sieht es in anderen Kantonen aus.
Die aktuelle Lage in einem Wort: Stagnation. Was vielleicht schon ein Erfolg ist, wenn man den Sinkflug der letzten Wochen betrachtet. Den «Last Call» – den letzten Aufruf zum Impfen – von Bundesrat Berset haben zwar einige gehört, aber noch lange nicht genug, um die Impfquote deutlich zu erhöhen und die drohende Corona-Herbstwelle zu brechen.
Booster-Boom ab nächster Woche
Das könnte sich aber noch ändern. Denn dem Aufruf hallt ein starkes Echo nach – in Form steigender Infektionszahlen. Diese Woche durchbrach die Zahl an Neuinfektionen erstmals seit Anfang Jahr die 4000er-Grenze. Auch am Donnerstag blieben sie mit 3886 neuen Fällen hoch. Der Anstieg dürfte in den nächsten Tagen noch einige Impfzögerer dazu bringen, den Piks doch noch zu holen.
Und sollten Bund und Kantone die Massnahmen notfalls wieder verschärfen und damit den Impfdruck erhöhen – etwa mit einer 3G-Regel am Arbeitsplatz oder einem 2G-Konzept wie in Österreich –, dürfte das den einen oder die andere ebenfalls zum Umdenken bewegen.
Immerhin eines ist klar: Ab nächster Woche ist in den Impfzentren ein Ansturm zu erwarten, denn dann geht es auf breiter Front mit der Auffrischimpfung für Seniorinnen und Senioren los. Die Baby-Boomer als Booster-Boomer.