Der Fall erschütterte die Schweiz. Im September 2020 tötete ein schweizerisch-türkischer Doppelbürger (28) in einem Döner-Imbiss in Morges VD den Portugiesen Rodrigo G.* (†29) mit einem Messer. Es war das erste dschihadistische Attentat in der Schweiz.
Der Attentäter war Teil eines Dschihadisten-Netzwerks und dem Nachrichtendienst des Bundes (NDB) bereits seit 2017 bekannt. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, einen dschihadistisch motivierten Anschlag geplant und umgesetzt zu haben, mit dem Ziel, die Opfer des Krieges der Koalitionsstaaten gegen den Islamischen Staat (IS) zu rächen.
Bevölkerung habe ein Recht auf Schutz
Dieser Mord wäre zu verhindern gewesen, ist SVP-Nationalrat Mauro Tuena (50) überzeugt – und mit ihm die bürgerliche Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Nationalrats. Mit 13 gegen 10 Stimmen bei einer Enthaltung will die SiK das Anti-Terror-Gesetz (PMT) nochmals verschärfen, obwohl es erst im Juni 2021 vom Volk angenommen worden ist.
Schon heute erlaubt das Gesetz ein präventives Vorgehen gegen Gefährder. Besteht der Verdacht, dass von jemandem eine Terrorgefahr ausgeht, können Massnahmen ergriffen werden – noch bevor eine Tat verübt wurde. Im Extremfall droht dem Verdächtigen Hausarrest.
Schraube weiter anziehen
Das aber reicht der SVP, FDP und der Mitte nicht. Sie wollen die Schraube weiter anziehen und stimmten für eine erneute Kompetenzausweitung der Strafbehörden. Die SiK will staatsgefährdende Personen künftig auch präventiv einsperren lassen. Die Bevölkerung habe ein Recht auf diesen Schutz, betont SiK-Präsident Tuena. «Unser Land darf auch kein Planungs- oder Rückzugsort für Terroristen sein, die in anderen Ländern zuschlagen möchten.»
Die Forderung ist aber umstritten. In der Rechtskommission des Ständerats stiess sie auf breite Ablehnung. Auch in der nationalrätlichen Sicherheitskommission gab es breiten Widerstand.
Verstoss gegen Menschenrechtskonvention
Obwohl bemängelt wird, die Präventivhaft verstosse gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, hält die bürgerliche Mehrheit daran fest. Damit nehme die Kommission eine Forderung der Kantone auf, argumentiert sie. Die Forderung habe man aus der Abstimmungsvorlage lediglich entfernt, um nicht das gesamte Gesetz an der Urne zu gefährden.
Nun aber soll die «gesicherte Unterbringung» nochmals geprüft werden. Die Kommissionsmehrheit sei sich bewusst, dass eine verhältnismässige und menschenrechtskonforme Umsetzung anspruchsvoll sei, erklärt Tuena. Das soll in einem zweiten Schritt passieren.
Stöckli könnte Präventivhaft kippen
Als Nächstes kommt die umstrittene Vorlage in der Wintersession in den Gesamtrat. Mit Unterstützung von SVP, FDP und der Mitte hat das Vorhaben gute Chancen, im Nationalrat eine Mehrheit zu finden. Danach wird sich der bisher skeptische Ständerat darüber beugen. Möglich, dass die kleine Kammer die Präventivhaft wieder kippt. (dba)