SonntagsBlick: Herr Girod, die SVP will die Grenzen dichtmachen, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Wie lauten Ihre Rezepte?
Bastien Girod: Die Förderung des gemeinnützigen Wohnraums steht in der Verfassung. Auf die Agenda gehören ebenso flankierende Massnahmen im Wohnungsbereich: Wer Firmen den roten Teppich ausrollt, hat auch dafür zu sorgen, dass es mit den Wohnungen aufgeht.
Wo müsste der Bund den Hebel ansetzen?
Er muss sicherstellen, dass bestehender Wohnraum besser genutzt wird, zum Beispiel mit der Förderung des Wohnungstauschs: Eine ältere, alleinstehende Person soll ihre Wohnung mit einer jungen Familie tauschen können – bei unveränderten Mieten. Wo die Wohnungsnot besonders akut ist, darf es nicht sein, dass eine Vierzimmerwohnung neu an eine Einzelperson vermietet wird. Hier müssen zwingend Familien den Vorzug bekommen. Kurz: Gemeinden müssen bei Wohnungsnot Belegungsvorschriften für Neubauten und Neuvermietungen verordnen können.
Wenn wir schon bei neuen Gesetzen sind: Die SP will Airbnb verbieten. Und Sie?
Regulierung ist wichtig, aber ich denke nicht, dass ein Verbot der richtige Weg ist. Die Plattform bietet für Familien eine Möglichkeit, günstig Ferien zu machen. Bei aller berechtigten Kritik am Geschäftsmodell des US-Konzerns: Das dringendste Problem sind die kalten Betten.
Die kalten Betten?
In den grossen Schweizer Städten gibt es 100'000 Zweitwohnungen. Das Zweitwohnungsgesetz sollte im Flachland schärfer angewendet werden: Keine neuen Zweitwohnungen mehr in Zürich, Basel oder Genf! Wer in der Stadt eine Wohnung mietet oder kauft, soll dort auch wohnen.
Wie wollen Sie das erreichen? In keiner Stadt ist der Anteil an Zweitwohnungen höher als die erlaubten 20 Prozent.
Natürlich benötigte es eine Gesetzesanpassung. In den betroffenen Städten wäre also nicht der Anteil Zweitwohnungen entscheidend, sondern die Leerwohnungsziffer. Wenn diese 0,5 Prozent unterschreitet, gibt es einen Zweitwohnungsstopp.
Belegungsvorschriften, Zweitwohnungsverbot – wie recht-fertigen Sie diese Eingriffe ins Eigentum?
Wohnen ist ein Grundrecht, deshalb muss die öffentliche Hand für bezahlbaren Wohnraum sorgen. Die Immobilien in Zürich haben doch nur so viel Wert, weil die öffentliche Hand massiv in die Infrastruktur investiert hat. Nicht zu rechtfertigen ist, dass der Vermieter einer Fünfzimmerwohnung einem Expat den Vorzug gibt statt einer Familie.
Nicht nur die Linken und Grünen setzen im Wahljahr auf das Thema Wohnungsnot. Wenig überraschend ist der Fokus der SVP. Sie sagt, Wohnungen fehlten wegen der Zuwanderung, und spricht dann über ihr Lieblingswahlkampfthema: die Asylpolitik. Ebenso wenig überrascht die FDP. Am Donnerstag veröffentlichte der Freisinn seinen Sechs-Punkte-Plan unter dem Titel «Mehr Wohnungen, weniger Vorschriften». Schuld am Mangel seien langsame Verfahren im Baubereich, Lärmschutz und andere zu strenge Vorschriften, die es abzuschaffen gelte. Mitte und GLP kritisieren ebenfalls die unflexiblen Lärmschutzregeln. Beide Parteien betonen aber auch, es brauche ganzheitliche Ansätze in der Raumplanung, nicht allein weniger Regeln.
Nicht nur die Linken und Grünen setzen im Wahljahr auf das Thema Wohnungsnot. Wenig überraschend ist der Fokus der SVP. Sie sagt, Wohnungen fehlten wegen der Zuwanderung, und spricht dann über ihr Lieblingswahlkampfthema: die Asylpolitik. Ebenso wenig überrascht die FDP. Am Donnerstag veröffentlichte der Freisinn seinen Sechs-Punkte-Plan unter dem Titel «Mehr Wohnungen, weniger Vorschriften». Schuld am Mangel seien langsame Verfahren im Baubereich, Lärmschutz und andere zu strenge Vorschriften, die es abzuschaffen gelte. Mitte und GLP kritisieren ebenfalls die unflexiblen Lärmschutzregeln. Beide Parteien betonen aber auch, es brauche ganzheitliche Ansätze in der Raumplanung, nicht allein weniger Regeln.
Die Bürgerlichen werden bei Ihren Vorschlägen niemals mitmachen.
FDP und Mitte können die Augen vor der Wohnproblematik nicht ewig verschliessen. Sonst helfen sie nur der SVP, die der Zuwanderung die Schuld gibt. Dabei ist der Treiber die Wirtschaftspolitik: Firmen, die sich hier ansiedeln, benötigen Arbeitnehmende. Und die wollen irgendwo wohnen. Deshalb müssen wir künftig Wirtschaftsvorlagen wie die Steuerreform mit Massnahmen für bezahlbare Wohnungen verknüpfen.
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Wie viele Quadratmeter belegen Sie eigentlich persönlich?
Wir leben zu viert in einer 130-Quadratmeter-Wohnung; für mich bleiben also etwas mehr als 30 Quadratmeter zur Verfügung. Im Schnitt beanspruchen Schweizerinnen und Schweizer 46,6 Quadratmeter. Ich sage aber nicht, dass alle Leute so leben sollen wie ich.
Ziehen Sie aus, wenn die Töchter flügge werden?
Das ist in Genossenschaften so üblich, ja. Wichtig ist, dass wir im Quartier bleiben dürfen, wenn wir das wollen – mit einem Umzug in eine kleinere Genossenschaftswohnung.
Bis 2026 fehlen 50'000 Wohnungen in der Schweiz. Wie wollen Sie die Bautätigkeit ankurbeln?
Fangen wir doch bei den Zweitwohnungen in den Städten an. Und bei den unterbelegten Wohnungen. Dort liegt Potenzial brach! Aber einverstanden: es benötigt auch mehr zusätzliche Wohnungen. Mit Verdichtung kann da schon viel erreicht werden. Leider hat das Prinzip einen schlechten Ruf. Das liegt an hässlichen Projekten, wie sie zuweilen in der Agglomeration aus dem Boden gestampft werden. Deshalb ist es wichtig, bei Verdichtung genügend Grünräume und öffentliche Plätze zu einzuplanen. Da ist wiederum die öffentliche Hand gefragt.
Inwiefern?
Wenn der Bund Immobilien abstösst, bekommt meist der Meistbietende den Zuschlag. Das ist falsch. Besser wäre es, wenn gemeinnützige Bauträger zum Zug kämen.
Sie fordern also ein Vorkaufsrecht für Anbieter von günstigem Wohnraum?
Wenn Sie einfach 50'000 Zweitwohnungen oder Lofts bauen, hat die Bevölkerung gar nichts davon. Auch hier ist der Bund, etwa als Eigentümer der SBB, gefragt: Auf Arealen, die an den Meistbietenden verkauft werden, entsteht kaum günstiger Wohnraum.