SonntagsBlick: Herr Grossen, werden die Grünliberalen den SP-Sitz im Bundesrat angreifen, wenn Alain Berset auf Ende Jahr abtritt?
Jürg Grossen: Wenn wir zehn Prozent Wähleranteil erreichen und im Ständerat Fuss fassen, treten wir zur Bundesratswahl an. Welchen Sitz wir in diesem Fall angreifen, hängt vom Wahlergebnis aller Parteien ab.
Würde die GLP auf Kosten der SP in den Bundesrat gewählt, wären die rund 30 Prozent des links-grünen Lagers dort schlechter vertreten als heute. Das beisst sich mit Ihrer Forderung, dass der Bundesrat die Wähleranteile möglichst genau abbilden sollte.
Derzeit sind fast 30 Prozent aller Wählenden nicht im Bundesrat vertreten. Das trifft insbesondere die Wählerinnen und Wähler der Grünen und der GLP. Wir wollen dies ändern und halten uns dafür alle Optionen offen.
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Am stärksten übervertreten ist derzeit die FDP. Würden Sie es in Kauf nehmen, einen amtierenden Bundesrat abzuwählen?
Eine Abwahl ist für uns kein No-Go. Die Frage ist, wie stark sich die Bundesratsparteien an die Macht klammern: Sind sie bereit, die Verschiebung der Wähleranteile zu akzeptieren? Wenn die Blockade anhält, ist eine Abwahl für uns eine Option. Denn: In der Zauberformel steckt kein Zauber mehr. Konkordanz – ein Pfeiler der Schweizer Demokratie – bedeutet, dass alle wichtigen Kräfte in der Regierung eingebunden werden müssen.
Sie propagieren die Formel 2-1-1-1-1-1: zwei Sitze für die stärkste Partei, je einen Sitz für alle anderen. Das Resultat dürfte sein, dass die Bundesräte noch stärker auf ihre Partei schielen – und die Regierung erst recht blockiert ist.
Die Bundesräte sind heute schon in Geiselhaft ihrer Parteien, insbesondere bei SP und SVP. Würde das politische Zentrum gestärkt, hätte das einen positiven Einfluss. Zudem werden heute viele Vorlagen aus dem Bundesrat vom Parlament zerpflückt, weil wichtige Kräfte nicht in der Regierung vertreten sind. Werden Grüne und GLP von Anfang an mit einbezogen, werden auch die Vorlagen mehrheitsfähiger.
Sie wollen erst bei einem Wähleranteil von zehn Prozent angreifen. Der aber dürfte für die nächsten Wahlen kaum realistisch sein – derzeit liegt die GLP bei 7,8 Prozent.
Ich bin überzeugt, dass das möglich ist. Das letzte Mal haben wir ebenfalls 3,2 Prozent zugelegt.