Gewerkschaften wehren sich gegen Bürgerlichen-Pläne
«Weniger bekommen und jetzt noch am Sonntag arbeiten ...»

Bürgerliche Ständeräte wollen Sonntags- und Nachtarbeit, um einen Blackout zu verhindern. Dabei soll auch der Sonntagszuschlag flöten gehen. Die Gewerkschaften sind empört.
Publiziert: 16.09.2022 um 19:07 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2022 um 09:14 Uhr
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Wird der Strom knapp, soll auch am Sonntag und in der Nacht gearbeitet werden.
Foto: Getty Images
Thomas Müller

«Mehr bezahlen, weniger bekommen und jetzt noch am Sonntag arbeiten ... Ich habe mehr und mehr Mühe, diese einseitige Politik zu verstehen», seufzt der SP-Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) Pierre-Yves Maillard (54) am Telefon.

Der Grund, dass sich der Gewerkschaftsboss die Haare rauft: Mitte-Ständerätin Andrea Gmür (58) will im Falle einer Energie-Mangellage das Arbeitsgesetz lockern und Sonntags- und Nachtarbeit erlauben. Damit sollen Verbrauchsspitzen beim Energieverbrauch gebrochen und ein Blackout abgewendet werden. Der Vorschlag stösst auf riesigen Support im bürgerlichen Lager.

«Dieser Vorstoss ist eine Provokation»

Zwar betont Gmür gegenüber Blick, dass sie damit nicht den Arbeitnehmerschutz aushebeln wolle. Unternehmen müssten ein Gesuch stellen, wenn sie ihre Mitarbeitenden ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten einsetzen wollen. Die Lockerung soll auch nur bei einer Energiemangellage gelten.

Dennoch: Die Gewerkschaften sind davon gar nicht begeistert. Adrian Wüthrich (42), Alt-Nationalrat der SP und Präsident von Travailsuisse, findet den Vorschlag ziemlich dreist: «Dieser Vorstoss ist unnötig und in der angespannten Situation eine Provokation.»

Keine Lockerung des Arbeitsgesetzes

Die Bürger würden aufgefordert, Strom zu sparen, damit die Wirtschaft weitermachen könne wie bisher. «Jetzt soll als Gegenleistung in einer Mangellage auch noch am Sonntag gearbeitet werden – und das ohne Zuschlag?», empört er sich.

Travailsuisse lehnt Lockerungen des Arbeitsgesetzes entschieden ab. Dies schreibt die Gewerkschaft auch in einem diese Woche veröffentlichten Papier, in dem sie ihre Forderungen im Zusammenhang mit der Energiekrise publiziert hat.

Sonntagszuschlag soll weg

Von einer Streichung des Sonntagszuschlags steht im Vorstoss zwar nichts, aber Gmür bestätigte, dass ihr das vorschwebt. Denn bereits jetzt kann in gewissen Situationen vorübergehend Sonntagsarbeit bewilligt werden. Aber Arbeitgeber müssen den Angestellten am Sonntag einen Zuschlag von 50 Prozent zahlen.

Ob Unternehmen bereit wären, diesen Zuschlag zu berappen – gerade angesichts der steigenden Preise und Lohnforderungen – ist nicht sicher.

Sparen statt am Sonntag verbrauchen

Für SGB-Präsident Maillard ist der Vorstoss einer von vielen Versuchen, den Arbeitnehmerschutz zu lockern: «Die Bürgerlichen haben immer einen Vorwand, um den Druck auf die Arbeitnehmenden zu erhöhen.» Man könnte auch mit geplantem, vernünftigen Strommanagement und Stromsparen viel erreichen.

Im Moment gehe es darum, Strom zu sparen, damit andere Massnahmen gar nicht nötig würden, findet auch Wüthrich. «Wenn der Strom einfach am Sonntag oder in der Nacht verbraucht wird, dann wird er aber nicht gespart», bemängelt er.

Sollte es wirklich eine Mangellage geben, könne man über temporäre Sonntagsarbeit in einzelnen Branchen reden, kommt er den Bürgerlichen zwar entgegen. Für den Gewerkschafter ist aber klar: Das muss innerhalb der bestehenden Gesetze geschehen.

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