Am Sonntag stehen in vielen Unternehmen die Maschinen still. Die Computer sind heruntergefahren, die Lichter in den Fabriken aus. Dass man am Sonntag nur in Ausnahmefällen arbeiten darf, wirkt sich auf den Energieverbrauch im Land aus: An einem Sonntag fliesst im Schnitt zehn Prozent weniger Strom als an einem Mittwoch.
Sollte es im Winter zum befürchteten Energieengpass kommen, könnte das Sonntagsarbeitsverbot für Firmen zum Problem werden. Das glaubt Mitte-Ständerätin Andrea Gmür (58). «Während einer Energiemangellage kann es für Unternehmen unabdingbar sein, die Arbeiten dann zu vollziehen, wenn sonst kein grosser Energieverbrauch vorhanden ist. Das ist typischerweise in der Nacht und sonntags der Fall», schreibt sie in einem Vorstoss. Sie fordert darum eine vorübergehende Lockerung des Arbeitsgesetzes, falls eine Strom- oder Gasmangellage eintritt.
Um Energie-Spitzen zu brechen
Nicht nur Tankstellenshop-Mitarbeiter, Pfarrer oder Lokführerinnen, sondern auch Fabrikangestellte und Bürolisten sollen also notfalls vorübergehend sonntags oder nachts arbeiten. Damit könne man Spitzen im Energieverbrauch brechen, argumentiert Gmür. Und so einen Blackout verhindern. Zudem bräuchten die Firmen mehr Flexibilität beim Einsatz ihrer Mitarbeitenden, falls es zu Kontingentierungen komme.
«Es geht mir nicht darum, den Arbeitnehmerschutz auszuhebeln», betont die Mitte-Politikerin. «Es ist vielmehr eine Massnahme, um Arbeitsplätze zu sichern und der Inflation Gegensteuer zu geben.» Denn kurzzeitig am Sonntag arbeiten ist immer noch besser als langfristig den Job zu verlieren, so Gmür. Ihr Vorschlag sieht vor, dass Unternehmen ein Gesuch stellen müssten, wenn sie ihre Mitarbeitenden ausserhalb der üblichen Arbeitszeiten einsetzen wollen. Die Lockerung soll nur bei einer Energiemangellage gelten.
Warum ist der Strom so teuer? Blick erklärt
Forderung hat grossen Rückhalt
Mehr zur Energiekrise
Ihre Forderung ist breit abgestützt. 25 bürgerliche Ständerätinnen und Ständeräte haben den Vorstoss mitunterzeichnet. In der kleinen Kammer hat er also bereits auf sicher eine Mehrheit.
Auch im linken Lager stösst der Vorschlag nicht auf komplette Gegenwehr. «Wir sind uns alle einig: Sollte tatsächlich eine Notlage eintreten, dann braucht es pragmatische Lösungen», sagt Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser (30).
Allerdings ist aus ihrer Sicht unklar, ob überhaupt gesetzlicher Handlungsbedarf besteht. Tatsächlich kann in gewissen Situationen schon jetzt vorübergehende Sonntagsarbeit bewilligt werden. Der Arbeitgeber müsste den Angestellten jedoch einen Sonntagsarbeitszuschlag von 50 Prozent zahlen. «Ich bezweifle, dass Unternehmen, die jetzt schon mit höheren Preisen und Forderungen nach höheren Löhnen konfrontiert sind, noch einen Nacht- oder Sonntagszuschlag zahlen können. Das wären ziemliche Mehrkosten», gibt Ryser zu bedenken.
Druck auf Bundesrat
Möglich wäre natürlich, diese Zuschläge in einer Notlage zu streichen oder zumindest zu kürzen. Gmür bestätigt, dass ihr das vorschwebt. Sie findet es wichtig, nun speziell für den Fall einer Energiemangellage eine Regelung festzulegen. Es sei zu befürchten, dass die Opposition dagegen sonst zu gross wäre, wenn die Möglichkeit zu Sonntags- und Nachtarbeit in einer solchen Lage nicht explizit vorgesehen ist.
Doch trotz des breiten Supports: Dass die geforderte Gesetzesänderung noch vor diesem Winter in Kraft tritt, ist unmöglich. Das ist Gmür bewusst. Sie hofft, dass der Vorstoss ein genügend starkes Zeichen an den Bundesrat ist, damit er nun von sich aus tätig wird.