Die Energiekrise führt zu neuen Positionen und ungewohnten Allianzen in der Politik. Wenn der Nationalrat am Dienstag über den finanziellen Rettungsschirm für Stromkonzerne debattiert, wird es auch um die Frage der zentralstaatlichen Macht gehen.
Eine überparteiliche Allianz kämpft dafür, der Regierung deutlich mehr Möglichkeiten einzuräumen, um einen drohenden Stromengpass zu verhindern. Dazu soll das sogenannte Landesversorgungsgesetz geändert werden.
Bei den Urhebern handelt es sich um die Grünen-Nationalräte Kurt Egger (66) und Bastien Girod (41). Die Mitglieder der Energiekommission (Urek) verlangen mit ihren Minderheitsanträgen, dass der Bundesrat nicht nur bei einer «unmittelbar drohenden» Mangellage handeln darf, sondern bereits bei einer «drohenden» Mangellage.
Dieses sprachliche Detail markiert einen entscheidenden Unterschied: Die Antragsteller reden in Anlehnung an das Bild einer Verkehrsampel davon, eine zusätzliche «Stufe Orange» einführen zu wollen. Bislang gibt es gemäss dieser Analogie nur eine Stufe Grün und eine Stufe Rot, bei der es zu spät ist.
Bund will bislang keine Auktionen
Zu den geforderten Instrumenten gehören ein «Strom- und Gassparplan mit verbindlichen Reduktionszielen für einzelne Verbrauchergruppen». Weiter verlangt der Entwurf, der SonntagsBlick vorliegt, die Durchführung von «Auktionen bei Grossverbrauchern zur Reduktion des Strom- oder Gasverbrauchs» sowie die verbindliche Festlegung der minimalen Pegelstände in Stauseen.
Dass Unternehmen im Krisenfall untereinander ihren Energieverbrauch ersteigern können, ist ein Mittel, auf das die deutsche Politik setzt, der Bund allerdings lehnt dieses Verfahren bislang ab.
Mit ihrem Massnahmenkatalog würde endlich eine Deckungslücke gestopft, ist Minderheitssprecher Kurt Egger überzeugt.
Support von SVP-Schwergewicht
Die Grünen haben für ihr Ansinnen überparteiliche Verbündete gewonnen: Die SP und ein Teil der Grünliberalen sind dabei. Bei der Regelung von Wasserständen in Stauseen reicht die Allianz sogar bis zur SVP: Der Wasserkraftlobbyist und ehemalige Parteipräsident Albert Rösti (55) unterstützt die Forderung von Egger und Girod.
Mit diesem politischen Schwergewicht an Bord dürften die Chancen des Antrags im Parlament jedenfalls nicht kleiner geworden sein. Der Berner fällt im Energiedossier nicht zum ersten Mal durch seine Bündnispolitik auf: Bei der Förderung von 15 neuen Wasserkraftprojekten spannt er, wie die «NZZ am Sonntag» vor kurzem schilderte, mit SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga (62) zusammen.
Die Parlamentarier denken über weitere Lösungsvorschläge nach. Auch die Möglichkeit eines Handels mit Pegelständen unter den Wasserkraftbetreibern wird geprüft.