Die Schweiz isst zu süss. Menschen in der Schweiz nehmen täglich umgerechnet rund 25 Würfelzucker zu sich. Das sind doppelt so viele, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Darum will Gesundheitsminister Alain Berset (50) den Konsum senken.
Denn viel Zucker macht krank. Er kann zu Fettleibigkeit, Herz-Kreislauf-Störungen und Diabetes führen. «Diese Krankheiten sind heute die häufigste Todesursache in der Bevölkerung», sagte Berset gestern an einer Medienkonferenz.
Rivella, Cola und Ramseier verpflichten sich
Trotzdem, auf strenge Regeln verzichtet der Gesundheitsminister vorerst. Sein Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hat zwar die «Erklärung von Mailand» zur Zuckerreduktion ins Leben gerufen.
Doch darin verpflichten sich die teilnehmenden Unternehmen bloss freiwillig, den Zuckergehalt in Joghurts und Frühstücksflocken bis Ende 2024 schrittweise zu reduzieren. Am Dienstag versprachen nun auch zehn Getränkehersteller, den Zuckergehalt um zehn Prozent zu senken.
Unter den Firmen, die mitmachen, ist mit Coca-Cola auch der wichtigste Player dabei. Daneben machen Ramseier und die Rivella Group mit. Das ist zentral, denn Süssgetränke sind ein bedeutender Hebel bei der Zuckerreduktion. Fast 40 Prozent des zugesetzten Zuckers in der Ernährung stammen aus Getränken.
Cola bleibt Cola
Aber Coca-Cola wird nicht weniger süss. Die Rezeptur des klassischen Süssgetränks wird nicht angepasst. «Um die neuen Ziele der Erklärung von Mailand zu erreichen, wird das Unternehmen weitere Innovationen für zuckerfreie, zuckerarme und zuckerreduzierte Getränke auf den Markt bringen», sagt eine Cola-Sprecherin. Coca-Cola erweitert also das Sortiment. Ähnlich machen es die anderen Hersteller.
Eigentlich wollten Bersets Leute die Getränkehersteller dazu bringen, den Zuckergehalt im Schnitt um 20 Prozent zu senken. Das sei unrealistisch, so die verärgerte Branche.
Die Zuckerlobby ist stark. Auch die Bauern sind an Direktzahlungen für den Anbau von Zuckerrüben interessiert.
Zuckerlobby redet mit
Wie «Le Matin Dimanche» berichtete, sponserte der Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten (SMS) eine kantonale Abstimmungs-kampagne mit 10'000 Franken. In Neuenburg wurde nämlich darüber abgestimmt, ob eine obligatorische Zahnpflegeversicherung eingeführt wird. Diese hätte auch zu einer verstärkten Prävention gegen Zahnkrankheiten geführt. Süssgetränke-Hersteller befürchteten Umsatzverluste.
Laut SMS sollen die Mittel aber gesprochen worden sein, um einen Gegenvorschlag zur Initiative zu bekämpfen. Dieser sah vor, auf zuckerhaltige Getränke eine Sondersteuer einzuführen. Die Vorlage wurde abgelehnt.
«Es geht nicht darum, jemanden das Dessert zu verbieten»
Doch politisch wächst der Druck im Kampf gegen das süsse Gift. So wird der Nationalrat in der Frühlingssession eine Genfer Standesinitiative zur Zuckerveringerung behandeln. «Zahlreiche europäische Länder haben die Zuckermenge in Süssgetränken schon begrenzt, ohne dass dies zu einem nennenswerten Rückgang des Konsums geführt hat», sagt die Grünen-Nationalrätin Meret Schneider (30).
Gerade bei Süssgetränken für Kinder sei oft ein hoher Zuckergehalt vorhanden. «Es geht nicht darum, jemanden das Dessert zu verbieten», so Schneider. Es brauche aber strikte Regeln, sonst würde sich die Industrie nicht bewegen. Sie befürwortet auch eine Zuckersteuer, wie sie die Initiative vorsieht. «Diese Steuer soll nicht primär Lebensmittel und Getränke verteuern, sondern die Industrie dazu bringen, den Zuckergehalt in den Lebensmitteln zu senken.» Der Ständerat hat die Genfer Initiative abgelehnt. Auch im Nationalrat dürfte sie es schwer haben, eine Mehrheit zu finden.