Väterchen Staat mischt sich immer mehr ins Privatleben von Herrn und Frau Schweizer ein. «Was auf den Tisch kommt, ist zunehmend politisch», klagt die liberale Denkfabrik Avenir Suisse. Über Verbote oder Steuern versuchten die Behörden immer mehr, den Konsum von salz-, zucker- oder fetthaltigen und verarbeiteten Lebensmitteln sowie von Tabak und Alkohol einzuschränken. Alles unter dem Titel der Gesundheitsprävention.
Das ist für Avenir Suisse natürlich der komplett falsche Weg. Da erstaunt es wenig, dass eine von ihr in Auftrag gegebene und am Donnerstag vorgestellte Studie zum gleichen Schluss kommt: Anstelle von neuen Regulierungen wären private unternehmerische Ansätze deutlich wirksamer.
Auf 56 Seiten vergleichen die Autoren Beispiele von Regulierungen und unternehmerischen Ansätzen. Ihr Fazit: Staatliche Eingriffe zur Beschränkung des Genussmittelkonsums würden häufig am Ziel vorbeischiessen. Gleichzeitig werde die Rolle der Unternehmen bei der Problemlösung unterschätzt. In Fragen der öffentlichen Gesundheit seien sie vielmehr Teil der Lösung als Teil des Problems, betont Avenir Suisse.
Breite Regulierung sei ohnehin nicht nötig
Eine breite Regulierung für die gesamte Bevölkerung und für alle Lebens- und Genussmittel ist für die Denkfabrik sowieso nicht angezeigt. Zwar seien nichtübertragbare Krankheiten wie Diabetes, Bluthochdruck oder erhöhte Cholesterinwerte für zwei Drittel der Todesfälle im Land verantwortlich. Von einer «Epidemie von ungesunden Lebens- und Konsumgewohnheiten» könne dennoch nicht die Rede sein.
So sei der Konsum von Tabak, Alkohol und Zucker in den vergangenen 30 Jahren zurückgegangen. Gleiches gelte für salz- und fettreiche Produkte wie rotes Fleisch oder Milchprodukte. Im Gegensatz dazu werde mehr Käse gegessen. Auch der Konsum pflanzlicher Öle und Fette sei klar gestiegen.
Um nichtübertragbare Krankheiten dennoch zu bekämpfen, ohne die individuelle Freiheit einzuschränken, empfiehlt Avenir Suisse nun drei Stossrichtungen:
1. Eine aktivere Rolle der Wirtschaft für die Volksgesundheit: Im Gegensatz zum Staat könne die Lebensmittelindustrie rasch und effizient handeln. Dies wegen ihrer Flexibilität und weil sie das Konsumverhalten der Kunden kenne. Wirksam sind Labels, öffentliche Selbstverpflichtungen und Branchenvereinbarungen mit klar kommunizierten, messbaren Zielen.
Das kann tatsächlich funktionieren. Mit der «Erklärung von Mailand» hatten sich 2015 mehrere Lebensmittelproduzenten und Detailhändler freiwillig verpflichtet, den Zuckerzusatz in Joghurts und Frühstücksflocken zu reduzieren – mit Erfolg, wie Proben des Bundes zeigten.
2. Der Verzicht auf Lebensmittelsteuern: Diese würden Haushalte mit tiefen Einkommen stärker belasten. Auch seien sie ineffizient, weil sie jene mit einem zurückhaltenden Konsum genauso betreffen. Gleichzeitig sei ihre Einführung mit viel Bürokratie verbunden, sowohl bei der Definition der betroffenen Produkte wie bei der Regulierungsumsetzung.
3. Den Widerspruch staatlicher Wirtschafts- und Gesundheitspolitik beseitigen: Heute finanziert der Bund einerseits Präventionskampagnen. Andererseits aber subventioniert er Produktion und Vertrieb ungesunder Produkte wie Zucker, Salz, Öl, Käse, Alkohol oder Tabak. Sogar die Finanzierung der AHV hänge von solch «sündhaften» Produkten ab.
Für Avenir Suisse ist das Fazit deshalb klar: Ein Abbau solcher Widersprüchlichkeiten würde «der Glaubwürdigkeit der Politik guttun». Oder anders: Der Staat solle sich etwas mehr zurückhalten. (dba)