Auf einen Blick
- Sarah Akanji kämpft für mehr Bundesgelder für Frauen-EM 2025
- Akanji gründete neuen Verein zur Förderung des Frauenfussballs
- Über 16'000 Unterschriften für Aufstockung der Bundesbeiträge gesammelt
Für Sarah Akanji (31) ist klar: Vier Millionen Franken – das ist dem grössten Frauensportanlass Europas unwürdig. Ursprünglich war die Rede von 15 Millionen, die der Bundesrat für die Fussball-EM im eigenen Land bereitstellen wollte, schon diesen Beitrag fand die 31-Jährige eher bescheiden. Doch die Landesregierung entschied im Februar, dass aufgrund der klammen Bundesfinanzen nur vier Millionen für die Frauen-EM drinliegen.
Mit ihrer Entrüstung über den Mini-Bundesbeitrag war Akanji nicht alleine. Zusammen mit Fussball-Aktivistin Laura Rivas Kaufmann (35) sammelte sie innert weniger Tage über 16’000 Unterschriften. Die «Rote Karte für den Bundesrat» überreichten sie dem Parlament. Zusammen mit einer Motion aus der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur, die fast eine Vervierfachung des Betrags forderte, kam das Anliegen in den Ständerat. Und wurde angenommen.
Kein Showdown um den EM-Beitrag im Parlament
Am Montag sind Akanjis Petition und der Vorstoss nun im Nationalrat. Ein Ja benötigen sie in der grossen Kammer aber nicht mehr: Stattdessen verabschiedete das Parlament bis zu 15 Millionen Franken bereits in der Sommersession als Teil des Bundesbudgets. Für Akanji ist es nicht wirklich eine Genugtuung, aber zumindest ein Zeichen. Die rastlose Winterthurerin setzt sich seit ihrer Jugend in verschiedensten Funktionen für den Frauenfussball ein: als Spielerin, Botschafterin oder Politikerin, nur um einige zu nennen.
Bis sich Akanji auf die Anfrage nach einem Gespräch zurückmeldet, vergehen Tage. «Sorry, ich befinde mich gerade in einer Prüfungsvorbereitungsphase», schreibt sie schliesslich per SMS. Am Nachmittag habe sie spontan Zeit.
Sie büffle gerade für den Abschluss ihres Masterdiploms an der Uni Basel, erklärt sie einige Stunden später. «Changing Societies» heisst der Lehrgang. Wie passend: Die ehemalige Fussballerin – sie musste verletzungsbedingt kürzertreten – setzt sich gleich in mehrfacher Hinsicht dafür ein, dass die Gesellschaft sich verändert. Etwa als Fussball-Podcasterin oder als Co-Präsidentin der Gleichstellungskommission des Kantons Zürich. Akanji bleibt ihrer Linie treu. «Mehr Teilhabe, Gleichstellung und Gleichberechtigung», sagt sie selbst.
Abschied mit Nebengeräuschen beim FC Winterthur
Ihr letztes Amt verlor sie auf undankbare Weise: Im August beschloss der FC Winterthur, Akanjis Vertrag als Assistenztrainerin des ersten Frauenteams nicht zu verlängern. Ausgerechnet der Verein, dessen Frauenteam sie selbst acht Jahre zuvor mitgegründet hatte und das mit Akanji als Captain aus der 3. Liga bis in die NLB hochkletterte.
«Es war eine Herzensangelegenheit von mir», sagt Akanji. «Ein riesiges Projekt, das mich sehr stark geprägt hat.» Untätig blieb sie jedoch auch danach nicht: Zusammen mit den ehemaligen Profifussballerinnen Lara Dickenmann (39) und Sandra Betschart (35) sowie zwei weiteren Frauen gründete sie kürzlich den Verein Fussball kann mehr. Er soll zur Dachorganisation für zahlreiche Förderangebote werden, sagt Akanji. Ganz nach gleichnamigen Vorbild aus Deutschland.
Ein solcher Verein sei bitternötig, denn die Schweiz hinke beim Frauenfussball den anderen europäischen Ländern hinterher. «Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Anschluss verlieren», sagt Akanji.
Akanji verliess nach Beleidigungen das Parlament
Eine grosse Rolle spiele da auch ein grösseres Bewusstsein in der Politik, der die ehemalige SP-Kantonsrätin bis Anfang 2023 ebenfalls angehörte. Und aus der sie frustriert ausschied – aufgrund rassistischer und sexistischer Beleidigungen. Was genau vorgefallen war, gibt Akanji nicht preis.
Die Politik habe aktuell jedenfalls nicht mehr denselben Stellenwert. Die parlamentarische Debatte um die Bundesgelder verfolgte sie nur noch aus der Distanz. «Das Thema war seit der Einreichung halt nicht mehr in unserer Hand», sagt sie.
Bei der Annahme im Frühling und Sommer liess sich das Parlament nicht nur vom Aktivismus aus der Bevölkerung überzeugen. Auch die acht Austragungsorte – Basel, Bern, Genf, Luzern, Sitten VS, St. Gallen, Thun BE und Zürich – protestierten in einem offenen Brief gegen die Kürzungen auf Bundesebene. Denn ohne den vollen Bundesbeitrag könne den Fussballfans beispielsweise keine gratis ÖV-Nutzung angeboten werden, wenn sie ein Matchticket kaufen.
In Klubs entscheiden vorwiegend Männer
Akanji erhofft sich vom Beitrag nicht nur finanzierte Zugfahrten, sondern einen längerfristigen Schub für den Sport, den sie als Kind lieben lernte. Das internationale Turnier im eigenen Land soll genauso wie etwa in Australien oder Grossbritannien das Interesse am Frauenfussball nachhaltig verbessern. Nicht nur bei der Bevölkerung, sondern auch bei den Klubs. «Dort entscheiden weiterhin vorwiegend Männer, die aus dem Männerfussball kommen», sagt Akanji. So würden erhaltene Fördergelder eben dann doch lieber in die Junioren statt Juniorinnen investiert. «Die Vereinsführungen haben die Verantwortung, Gelder und weitere Ressourcen wie Infrastruktur so zu verteilen, dass sich Mädchen dieselben Chancen bieten.» Und vor allem auch: mehr Frauen mitentscheiden zu lassen.
Der Männerfussball – ihr Bruder Manuel (29) avancierte darin zum internationalen Star – soll jedoch nicht das absolute Vorbild sein, sagt Akanji. Die Frauen sollen es anders machen. Zwar mit derselben Leidenschaft, jedoch inklusiver und sicherer. Bereits jetzt sei dies der Fall. Man müsse dem also bloss treu bleiben.
Zumindest stimmte auch der Bundesrat diesen Punkten zu, als er für die EM 2025 bloss einen Bruchteil der 82 Millionen Franken sprach, die er für die Euro 2008 der Männer ausgab. Der Grossteil sei eben damals in das Sicherheitsdispositiv geflossen, teilte die Regierung mit. Das sei bei den Frauen nicht nötig.