Ein Atommüll-Lager will niemand vor seiner Haustür. Vor allem dann nicht, wenn man dafür nicht einmal entschädigt wird. Doch genau das könnte einigen Schweizer Grenzgemeinden blühen.
Die Deutsche Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat nämlich Ende September alle Gebiete ermittelt, die sich für Atom-Endlagerstätten eignen. Darunter sind auch Gemeinden, im Grenzgebiet der Kantone Schaffhausen, Zürich und Thurgau. Sogar die Exklave Bünsingen, also eine deutsche Gemeinde, die vollkommen von Schweizer Gemeinden umrandet ist, kommt laut dem deutschen Bericht infrage.
Grenzregion bietet viele Vorteile
Doch: «Werden die Schweizer Interessen im deutschen Auswahlverfahren berücksichtigt?», fragt die Zürcher Nationalrätin Barbara Schaffner (52, GLP) den Bundesrat nun in einem Vorstoss. Denn dass sich die Deutschen letztlich aus den 90 möglichen Standortregionen genau jene in Schweizer Nähe aussuchen, ist nicht unwahrscheinlich.
Das Gestein der Grenzregion bringt viele geologische Vorteile mit sich. Ausserdem können die sozialen und ökonomischen Kosten für Deutschland vermindert werden, indem man diese auf die Schweiz abwälzen würde, so die Naturwissenschaftlerin Schaffner.
«Schweizer sollen auch entschädigt werden»
Der Junge Grünliberale Fabian Bolli (23), der Schaffner zum Vorstoss bewegt hat, stellt klar: «Es geht uns dabei nicht um ein Misstrauensvotum gegen Deutschland.» Denn auch von Schweizer Atomkraftwerken fällt radioaktiver Müll an, der gelagert werden muss. Und alle drei potenziellen Standorte für ein geologisches Tiefenlager sind nah an der deutschen Grenze.
Der Unterschied: Die betroffenen deutschen Gemeinden würden beim Bau eines grenznahen Lagers in die Planung miteinbezogen. Und sie können bei den Verhandlungen um die finanziellen Abgeltungen mitreden. Ähnliches habe «die deutsche BGE der Schweiz unseres Wissens hingegen noch nicht zugesichert», erklärt der frisch gewählte Einwohnerrat in Neuhausen am Rheinfall SH.
Den Grünliberalen geht es somit darum, dass auch die betroffenen Schweizer Regionen eine angemessene Vertretung bekämen und sie bei einem allfälligen Lager in Grenznähe ebenfalls anständig finanziell entschädigt würden. «Es ist nun mal ein sehr emotionales Thema», meint Bolli. Für ihn ist aber klar, dass im Zentrum des deutschen Standortentscheids die Sicherheit und kein politischer oder finanzieller Vorteil stehen muss.