Fünf statt 20 Gemeinden
Kommts in Appenzell Ausserrhoden zur Mega-Fusion?

Im Kanton Appenzell Ausserrhoden entscheidet das Stimmvolk über eine Mega-Fusion. Aus 20 Gemeinden könnten noch maximal fünf werden. Die Wogen gehen hoch.
Publiziert: 15.11.2023 um 12:03 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2023 um 17:25 Uhr
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Im Kanton Appenzell Ausserrhoden entscheidet das Stimmvolk über die Fusion von mehreren Gemeinden.
Foto: keystone-sda.ch
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Marlis Hörler Böhi (63) will ihren Job abschaffen. Die Gemeindepräsidentin von Wald AR sagte schon bei ihrer Wahl: «Ich hoffe, dass ich die letzte Gemeindepräsidentin bin.» Dieser Wunsch könnte schon bald in Erfüllung gehen. Und nicht nur dort. Am 26. November stimmt der Kanton Appenzell Ausserrhoden über eine Mega-Fusion ab.

20 Gemeinden hat der Kanton momentan. Stimmt das Volk zu, könnten es bald noch zwischen drei und fünf Gemeinden sein. Welche das sind, ist noch unklar. 

Der Regierungsrat unterstützt die Vorlage. Es seien Veränderungen notwendig, die Gemeinden hätten immer komplexere Aufgaben zu bewältigen, die mehr Kompetenzen und Fachkräfte benötigen. Personal und Freiwillige, die sich in den Gemeinderat wählen lassen, sind heutzutage aber rar. 

«Die Herausforderungen wachsen»

Für Hörler Böhi bringt die Fusion auf drei bis fünf Gemeinden viele Vorteile. Zwar würden die Verwaltungen der Gemeinden ihren Job gut machen. «Aber die Herausforderungen wachsen.» Sie erwähnt unter anderem die Digitalisierung und die Raumplanung. «Die Fusion auf drei bis fünf Gemeinden ist anspruchsvoll, aber alle Gemeinden haben vergleichbare Chancen.» Auch in finanziellen Fragen. «Es ist gerecht, wenn sich die Steuersätze in den Gemeinden angleichen, weil so die unterschiedlichen Voraussetzungen ausgeglichen werden.»

Ganz anderer Meinung ist Ernst Koller (62), Gemeindepräsident von Gais AR. Er stelle sich nicht grundsätzlich gegen die Fusionen. Doch es gebe noch zu viele Fragezeichen. «Vor einer Hochzeit muss man doch wissen, wer die Braut ist.» 

Gais habe bislang keine Probleme gehabt, die Stellen in der Verwaltung zu besetzen. Bei einer erzwungenen Fusion befürchtet er aber auch finanzielle Folgen. «Einzelne Gemeinden müssten wohl den Steuerfuss erhöhen, um finanzschwächere mitzuziehen.»

Schon jetzt arbeite man mit den Nachbargemeinden zusammen, wenn es die Situation erfordere, zum Beispiel bei der Feuerwehr. Koller befürchtet auch einen Verlust der kulturellen Vielfalt, zum Beispiel mit den Dorfvereinen. «Die Verbindung mit dem eigenen Dorf ist gross.»

Hörler Böhi überzeugt das Argument nicht. Das Vereinsleben organisiert sich schon heute über die Dorfgrenzen hinaus. Sie erwähnt den lokalen Chor. «Der Dirigent und einige Mitglieder wohnen im Dorf, viele der Sängerinnen und Sänger kommen aus Nachbardörfern», sagt Hörler Böhi.

Glarus kennt die Situation

Es wäre nicht die erste Mega-Fusion in der Schweiz. 2011 hatte der Kanton Glarus an der Landsgemeinde aus 25 Gemeinden drei gemacht. Das habe grundsätzlich gut funktioniert, sagt der Politologe Patrick Aeschlimann, der an der Fachhochschule Ost in St. Gallen zu Gemeinden forscht. «Die Beteiligung an den Gemeindeversammlungen lässt jedoch noch zu wünschen übrig.» Aeschlimann vermutet die fehlende Identifikation mit der neuen Gemeinde als Grund.

Die Situation lasse sich aber nicht mit Appenzell Ausserrhoden vergleichen. «Während in Glarus an der Landsgemeinde bereits über konkrete Gemeinden entschieden wurde, geht es in Ausserrhoden nur um einen Grundsatzentscheid.» Die konkrete Ausgestaltung folge dann in einem separaten Gesetz. 

Ob der Regierungsrat mit den Mega-Fusionsplänen durchkommt, ist fraglich. Die SVP und die FDP stellen sich dagegen. Sie unterstützen aber eine sogenannte Eventualvorlage. Dabei soll der Kanton Fusionen zwar fördern, sie sollen aber freiwillig bleiben. Die Kantone hätten so mehr Macht.

Doch egal wie das Volk entscheidet – sowohl Marlis Hörler Böhi in Wald als auch Ernst Koller in Gais, müssen nicht um ihren Job zittern. Experten schätzen, dass solche Fusionen sieben, bis zehn Jahre dauern. Bis dann dürften beide pensioniert sein.


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