Forscherinnen und Forscher aus ganz Europa haben eine Kampagne gestartet, um eine rasche Teilnahme der Schweiz und Grossbritannien am europäischen Forschungsprogramm «Horizon Europe» zu bewirken. Unter dem Slogan «Stick to Science» appellieren Vertreter der internationalen Forschungsgemeinschaft an die EU, den Bundesrat und die britische Regierung, «politische Diskrepanzen zugunsten der wissenschaftlichen Zusammenarbeit zur Seite zu legen».
Dazu wird eine internationale Unterschriftensammlung durchgeführt. 200 Personen hätten den Aufruf bereits unterzeichnet, werden die Initianten von «CH Media» zitiert. Darunter befinden sich Nobelpreisträgerinnen, Unternehmen und Dachorganisationen. Unterstützt wird die Kampagne zudem von der ETH-Zürich, der EPFL-Lausanne und der Vereinigung britischer Universitäten.
Deutschland will im Alleingang helfen
Parallel dazu traf Bundesrat Guy Parmelin (62) am Montag mit dem britischen Forschungsminister George Freeman (54) zusammen. Ziel sei es, die bilaterale Zusammenarbeit zu verstärken. Angestrebt wird eine Vereinbarung in der Form eines «Memorandum of understanding».
Damit steigt der Druck auf die EU, nach dem Aus für das Rahmenabkommen ihre Strafaktion gegen die Schweiz zu beenden. Gerade das gewichtige EU-Mitglied Deutschland versucht, uns beizustehen. So hat sich etwa Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (73) beim Vize-Präsidenten der EU-Kommission, Maros Sefcovic (55), für uns eingesetzt.
Daneben hatte Deutschland signalisiert, trotz ausgelaufenem Abkommen in der Schweiz zertifizierte Medizinprodukte im Alleingang wieder anzuerkennen – sehr zum Unwillen von Brüssel.
Es braucht Bewegung von beiden Seiten
Die EU-Zentrale selber wartet auf Vorschläge des Bundesrates für die Gestaltung der zukünftigen Beziehungen der Schweiz und der EU. Dies ist das Fazit der Efta/EU-Delegation der eidgenössischen Räte nach einem dreitägigen Besuch in Brüssel.
Die EU sehe auch, dass der bilaterale Weg weitergeführt werden müsse, bilanzierte Delegationspräsident und Mitte-Ständerat Benedikt Würth (54). Man habe aber zu verstehen gegeben, dass es auch seitens der EU Bewegung brauche.
Er verwies dabei auf die Freigabe des Schweizer Kohäsionbeitrages von 1,3 Milliarden Franken. Den Entwurf des Grundsatzabkommens zum Beitrag verabschiedete die EU-Kommission vergangene Woche, nun sind die EU-Staaten am Zug. Der Bundesrat hat das Memorandum of Understanding im November genehmigt.
Nun ist zuerst der Bundesrat am Zug
Im Schweizer Fernsehen SRF sagte am Dienstag der Europa-Abgeordnete Andreas Schwab, Vorsitzender der Delegation des Europäischen Parlaments zur Schweiz: «Wenn der Bundesrat als Gesamt-Kollektivorgan mit einem Vorschlag kommt, denn er dann auch umsetzen will, glaube ich, wird er in der Europäischen Kommission offene Türen einstossen.»
Dass nun der Bundesrat am Zug ist, sieht auch Würth so: «Aber wenn Vorschläge da sind, braucht es auch seitens der EU-Kommission eine Offenheit und Beweglichkeit.» Dass die Besucher deutlich gemacht hätten, dass das Verknüpfen von Forderungen – etwa der Anschluss ans Forschungsprogramm Horizon Europe – mit dem Verhandlungsdossier irritierend und nicht hilfreich sei, habe die EU-Seite «zur Kenntnis genommen».
Der Bundesrat ist daran, den Rahmen für ein mögliches Paket oder eine Gesprächsagenda mit der EU abzustecken. Das sagte Bundespräsident Ignazio Cassis gegenüber der «SonntagsZeitung».
Die Schweiz dürfe sich aber nicht auf Abkommen zur Beteiligung am Binnenmarkt beschränken, sagte Cassis. Es gebe viele Möglichkeiten, die Beziehung zur EU zu vertiefen, etwa bei Gesundheit, Forschung, Kultur oder den Medien. Den Druck, den die EU mit politischen Verknüpfungen auf die Schweiz auszuüben versuche, müsse man aushalten. (dba/SDA)