Auf einen Blick
- Sanna Marin äussert sich zu Finnlands Nato-Beitritt und zur Schweizer Neutralität
- Marin hofft auf eine EU- und Nato-Mitgliedschaft der Ukraine
- 2019 besuchte Marin als Ministerin Donald Trump im Weissen Haus
Frau Marin, wer macht die bessere Schokolade: Finnland oder die Schweiz?
Sanna Marin: Eindeutig Finnland! Fazer Blue ist die beste Schokolade der Welt! Schweizer Schokolade ist wunderbar – aber nicht mit jener von Finnland zu vergleichen. Natürlich bin ich hier voreingenommen (lacht).
Ich nehme an: Der Ausgang der US-Wahlen hat für Sie keinen süssen Nachgeschmack …
Ich respektiere die Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger der USA. Aber es ist bekannt, dass ich eine Frau und eine ehemalige Politikerin bin, die sich für Gleichberechtigung, Menschenrechte und Klimafragen einsetzt. Und dass ich eine starke Unterstützerin der Ukraine bin. Nun hat die Demokratie gesprochen.
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Kennen Sie Donald Trump persönlich?
2019 war ich als Verkehrs- und Kommunikationsministerin im Weissen Haus und habe Präsident Donald Trump besucht. Wir sprachen über Eisbrecher. Finnland stellt nicht nur die beste Schokolade her, sondern auch die besten Eisbrecher der Welt.
Kann Trump ein geopolitischer Eisbrecher sein?
Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Donald Trump hat vor den Wahlen beunruhigende Aussagen zum Nato-Bündnis und zur Ukraine gemacht. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass die USA die Ukraine auch in Zukunft stark unterstützt – das betrifft Waffenlieferungen und finanzielle Hilfe. Unsere Aufgabe ist es, die Ukraine zu unterstützen und nicht, ihr das Ergebnis zu diktieren.
Manche Friedensszenarien sehen eine «Finnlandisierung der Ukraine» vor: Früher war Finnland kein Nato-Mitglied, sondern neutral.
Ich hoffe auf eine Zukunft, in der die Ukraine Mitglied der Europäischen Union und auch der Nato ist. Aus Nato-Sicht ist die Ukraine das einzige Land in Europa, das über Fachwissen und Erfahrung in der modernen Kriegsführung verfügt. Ich denke, dass dieses Fachwissen für die Nato sehr wichtig ist. Ich war Teil einer internationalen Arbeitsgruppe, die die nächsten Schritte für den Nato-Gipfel in Washington im vergangenen Sommer vorgeschlagen hat.
Was könnten die nächsten Schritte sein? Putin wird keinem Friedensplan zustimmen, der eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine vorsieht.
Es gibt immer ein Momentum für Frieden, wenn der Wille dazu vorhanden ist. Bis dahin müssen wir die Ukraine unterstützen und dafür sorgen, dass sie bei Friedensverhandlungen die bestmögliche Verhandlungsposition hat. Die Bedingungen für einen Friedensplan stellt das ukrainische Volk.
Aus Schweizer Sicht ist es undenkbar, von heute auf morgen Nato-Mitglied zu werden. Finnland hat das getan. Erzählen Sie uns mehr über die finnische Seele!
Finnland und Russland sind direkte Nachbarn, wir haben viele Kriege mit Russland geführt. Das Wichtigste für die finnischen Bürger ist Sicherheit.
Finnland ist als neutrales Land nicht schlecht gefahren.
Wir dachten lange Zeit, dass funktionierende Beziehungen zu Russland der beste Weg sind, um Frieden und Sicherheit in Finnland zu gewährleisten. Aber der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat unsere Mentalität verändert.
Sanna Marin (39) war von 2019 bis 2023 finnische Ministerpräsidentin. Seit ihrer Abwahl arbeitet sie als Beraterin für das Institute for Global Change des früheren britischen Premierministers Tony Blair. Marin hat eine Tochter.
Sanna Marin (39) war von 2019 bis 2023 finnische Ministerpräsidentin. Seit ihrer Abwahl arbeitet sie als Beraterin für das Institute for Global Change des früheren britischen Premierministers Tony Blair. Marin hat eine Tochter.
Wie beurteilen Sie die Schweizer Neutralität?
Als Finnin steht es mir nicht zu, zu sagen, was die beste Politik für die Schweiz ist. Doch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat auch Auswirkungen auf die Schweiz. Ich hoffe, dass die Schweiz die Hilfe leisten wird, die die Ukraine jetzt braucht.
Meinen Sie damit auch Waffen? In Norditalien rosten Schweizer Panzer vor sich hin, das Kriegsmaterialgesetz verbietet einen Export.
Wir sollten der Ukraine jede Hilfe zukommen lassen, die sie benötigt. Und wenn die Schweiz helfen kann, dann sollte sie meiner Meinung nach helfen.
Ende 2022 sagten Sie, ohne die USA wäre Europa in Schwierigkeiten. Wie sehen Sie das zwei Jahre später?
Europa ist nach wie vor abhängig von der Militärhilfe, die die USA für die Ukraine leisten. Ich bin den USA für ihre Hilfe sehr dankbar. Wir brauchen mehr Europa und vor allem brauchen wir ein stärkeres Europa. Es geht mir nicht nur um Sicherheitspolitik. Während der Covid-Pandemie war Europa zu abhängig von asiatischen Lieferketten. Wir waren zu stark von russischer Energie abhängig und sind es immer noch. Ich mache mir Sorgen um die strategische Autonomie Europas.
Die Schweiz hat nicht nur ein Problem mit der Nato, sondern auch mit der Europäischen Union. Im Gegensatz zu Dänemark und Schweden hat Finnland den Euro von Anfang an übernommen. Gab es keine Euro-Skepsis in Finnland?
Doch, wir hatten viele Debatten. Aber wir hatten in den 1990er-Jahren eine schwere Finanzkrise. Aus unserer Perspektive gab es auch praktische Gründe, den Euro zu nehmen. Wir wollten finanzielle und wirtschaftliche Sicherheit.
Wie lautet Ihre Antwort auf den EU-Blues in der Schweiz?
Die Schweiz ist Teil Europas. Und die meisten europäischen Länder sind in der Europäischen Union. Daher ist es für beide Seiten gewinnbringend, funktionierende Beziehungen zu haben.
Sie wurden letztes Jahr abgewählt. Planen Sie ein politisches Comeback?
Aktuell nicht, aber sag niemals nie!
Stört es Sie, dass Sie in der Schweiz vor allem durch ein Video bekannt wurden, in dem Sie ausgelassen tanzten?
Das sagt viel über die Medien und Nachrichten aus. Während meiner Zeit als Ministerpräsidentin habe ich mich auf andere Themen konzentriert.
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Schweizer Politikerinnen finden, sie werden anders als Männer bewertet.
Frauen und Männer werden in der ganzen Gesellschaft unterschiedlich bewertet. Die Frauen in Führungspositionen, die ich getroffen habe, mussten oft doppelt so hart arbeiten wie Männer in den gleichen Positionen. Ich hoffe, dass wir in Zukunft mehr weibliche Führungskräfte haben. Frauen erhalten in der digitalen Welt auch mehr Hasskommentare als Männer. Das betrifft nicht nur Politikerinnen, sondern alle Frauen. Es gibt Kräfte, die sie angreifen, um sie zum Schweigen zu bringen. Das ist für unsere Demokratien sehr besorgniserregend.
Was sagen Sie jungen Frauen, die sich für Politik interessieren?
Ihr seid stark, ihr könnt das, ihr werdet gebraucht und eure Stimme zählt!