Simonetta Sommaruga (64) beginnt ihre Rede mit einem Seitenhieb gegen Trump: «Nach der Wahl letzte Woche ist es mehr als mutig, einen Event zum Thema Gleichstellung zu organisieren – es ist furchtlos.» Die alt Bundesrätin gehört zu den prominenten Rednerinnen am 3. EqualVoice Summit, dem Gipfeltreffen für Geschlechtergleichstellung in den Medien. «In Zeiten von Gendermüdigkeit brauchen wir Menschen, die wach bleiben – im besten Sinne des Wortes wach, nämlich woke.»
Sichtbarkeit der Frauen zu tief
Sichtbarkeit und Geschlechtervielfalt im Rahmen der Künstlichen Intelligenz: Ein Thema, das auch dieses Jahr für Diskussionen sorgte. 300 Persönlichkeiten aus der internationalen Wirtschafts-, Film- und Medienwelt folgten der Einladung ins Aura in Zürich von Ringier-CEO Marc Walder und Dr. Annabella Bassler, CFO der Ringier-Gruppe und Initiantin der EqualVoice-Initiative. «Noch immer werden Frauen deutlich seltener in den Medien gezeigt; Männer dominieren die Sichtbarkeit mit 82 Prozent», so Bassler. Mit dem EqualVoice-Factor wird die Präsenz von Frauen und Männern in den Medien gemessen. Dieser wird inzwischen von 32 Medienmarken in sieben Ländern genutzt und erreicht 50 Millionen Nutzerinnen und Nutzer. «Unser Ziel sind 100 Millionen», so Bassler. Neu wird der EqualVoice Assistant eingeführt. «Damit machen wir einen bedeutenden Schritt nach vorne, um Vorurteile und Stereotype anzugehen, die täglich subtil die Artikel und Inhalte prägen. So wollen Erzählerinnen stärken und eine ausgewogene, authentische Repräsentation verstärken.»
Diskutiert wurde nicht nur der mediale Gender-Gap, sondern auch die Untervertretung von Frauen in wichtigen Schlüsselbereichen wie Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. «Das ist eine traurige Wahrheit», so Sommaruga, die sich dafür einsetzt, dass grosse Unternehmen verpflichtet werden, eine Lohngleichheitsprüfung durchzuführen. «Der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern in der Schweiz beträgt 18 Prozent.» Noch schlimmer sei es bei der Altersrente: Frauen erhalten fast ein Drittel weniger. «Das zeigt, dass Frauen weniger wert sind als Männer», so Sommaruga.
Was wir von Finnland lernen können
Mit Spannung wurde auch die Rede von Sanna Marin (38) erwartet. Die Finnin war bei ihrer Ernennung die jüngste amtierende Ministerpräsidentin der Welt. «Das ist kein Zufall», sagt sie. «Frauen haben in unserer Gesellschaft immer eine zentrale Rolle gespielt. Wir waren das erste Land, das Frauen das Wahlrecht einräumte, und bereits 1948 gab es kostenlose Mittagessen für Schulkinder.» Schon damals ein Zeichen dafür, dass Frauen in der Arbeitswelt willkommen sind. «Heute haben wir Infrastrukturen für die Kinderbetreuung, die es Frauen ermöglichen, im Beruf zu bleiben. In dieser Hinsicht ist die Schweiz konservativer.» Für diesen Satz erhält die Ex-Ministerin Zwischenapplaus. Marin bringt es auf den Punkt: «Finnland wurde zum siebten Mal in Folge zum glücklichsten Land gewählt. Das zeigt, dass Gleichberechtigung glücklich macht – nicht nur Frauen, sondern auch Männer.»
Zu den prominenten Rednern gehörte auch Filmregisseur Marc Forster (55, «Monster's Ball»): «Das Thema der Geschlechtergleichstellung in der KI ist facettenreich und muss sehr ernst genommen werden. KI-Systeme können bestehende Geschlechtervorurteile in den Daten, mit denen sie trainiert werden, widerspiegeln oder verstärken.»