Fifa-Präsident Gianni Infantino ist mit einem Gesuch um volle Akteneinsicht beim Bundesstsrafgericht mehrheitlich abgeblitzt. (Archivbild)

Bundesanwalt darf nicht mehr gegen Fifa-Boss ermitteln
«Das hat er ziemlich verbockt»

Der ausserordentliche Bundesrichter Stefan Keller wird ausgebremst: Er darf nicht mehr gegen Fifa-Boss Gianni Infantino ermitteln. Der Gerichtsentscheid ist die jüngste Pleite in der nicht enden wollenden Fifa-Affäre.
Publiziert: 05.05.2021 um 10:13 Uhr
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Aktualisiert: 05.05.2021 um 14:57 Uhr
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Der ausserordentliche Staatsanwalt des Bundes Stefan Keller hat vor Bundesstrafgericht verloren.
Foto: keystone-sda.ch
Daniel Ballmer und Lea Hartmann

Es ist ein Knall! Und eine weitere Schlappe für die Schweizer Justiz. Das Bundesstrafgericht hat eine Beschwerde von Fifa-Boss Gianni Infantino (51) gutgeheissen. Der ausserordentliche Bundesanwalt Stefan Keller (44) darf nicht mehr gegen den Walliser ermitteln.

Keller war im letzten September vom Parlament eingesetzt worden, um die nicht-protokollierten Geheimtreffen mit dem ehemaligen Bundesanwalt Michael Lauber (55) zu untersuchen. Diesbezüglich waren mehrere Strafanzeigen gestellt worden – gegen Lauber, Infantino und weitere Personen. Keller aber hat seinen Auftrag bereits auf eigene Faust ausgeweitet und ein weiteres Strafverfahren gegen Infantino übernommen, das nichts mit den Treffen mit Lauber zu tun hat.

Fehler hätten eigentlich keine mehr passieren dürfen

Die Schweiz hat sich in der sogenannten Fifa-Affäre bereits zum Gespött gemacht. Vor den Augen der Weltöffentlichkeit setzte die Bundesanwaltschaft mehrere prestigeträchtige Fifa-Verfahren in den Sand. Gleichzeitig hatte Lauber mit seinen Geheimtreffen mit Infantino das Vertrauen in die Justiz weiter untergraben. Längst hat unser Land den Ruf einer Bananenrepublik.

Fehler dürfte sich die Schweiz in der Fifa-Affäre eigentlich keine mehr erlauben, soll ihre Justiz einen Rest von Glaubwürdigkeit behalten. Dennoch hatte die Gerichtskommission von National- und Ständerat vor ihrer Empfehlung nur oberflächlich abgeklärt, ob Teilzeitrichter Keller für das knifflige Amt des Sonderermittlers geeignet ist.

Unbefangenheit steht in Zweifel

Bisherige Zweifel erhalten nun neue Nahrung. Infantino hatte sich gegen die Ermittlungen gewehrt und ein Ausstandsgesuch gestellt. Das Bundesstrafgericht hält nun fest, dass tatsächlich «berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit des Gesuchsgegners dem Gesuchsteller gegenüber bestehen».

Die dreiköpfige Beschwerdekammer stützt ihren Entscheid auf Aussagen Kellers in drei Medienmitteilungen und eine Aussage in einer juristischen Fachzeitschrift. Ihr Fazit ist happig: Sonderermittler Keller hatte öffentlich von «deutlichen Anzeichen für strafbares Verhalten» gesprochen – teilweise bevor klar war, ob überhaupt ein Verfahren eröffnet wird. Solche Äusserungen seien «äusserst fragwürdig». Voreilige Schuldvermutungen wären «zwingend zu unterlassen gewesen».

Weiter bezeichnet die Beschwerdekammer die Medienmitteilungen Kellers als einseitig und nicht objektiv. So hätten nicht nur einige Fakten nicht den Tatsachen entsprochen. Andere Fakten seien so dargestellt worden, dass Keller «dabei ausschliesslich in einem guten Licht dasteht», ist im Urteil zu lesen. Die drei Richter sehen dadurch Ausstandsgründe für Keller als gegeben an. Die Unbefangenheit des ausserordentlichen Bundesanwalts gegen den Fifa-Präsidenten dürfe zu Recht bezweifelt werden.

Keller wehrt sich gegen Vorwürfe

Keller weist die Vorwürfe, er habe «irreführende und tatsachenwidrige Informationen kommuniziert», in einer Medienmitteilung zurück. Ein Rücktritt als ausserordentlicher Bundesanwalt scheint für ihn vorerst noch kein Thema zu sein. Das weitere Vorgehen will er nun mit der Aufsichtskommission über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) und der Gerichtskommission besprechen.

Vor allem gelte es abzuklären, welche Auswirkungen der Gerichtsentscheid für die verschiedenen Verfahren hat. «Bis dahin wird Stefan Keller keine weiteren Verfahrenshandlungen vornehmen», schreibt er über sich selbst.

«Das hat er ziemlich verbockt»

Erste Kritik gegen Sonderermittler Keller war bereits im vergangenen Herbst laut geworden. Ihm wurde vorgeworfen, bereits vor seiner offiziellen Wahl im September erste Untersuchungsschritte unternommen zu haben – was das gesamte Verfahren hätte gefährden können. Tatsächlich hatte Keller die Bundesanwaltschaft schon Anfang August um Rechtshilfe ersucht. Blick liegt entsprechende Korrespondenz vor. Keller reagierte auf den Artikel mit einer Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung gegen Unbekannt.

Verschiedene Beteiligte gehen gegenüber Blick davon aus, dass Stefan Keller seine Aufgabe als Sonderermittler damit nicht mehr weiterführen kann. «Das hat er ziemlich verbockt», kommentiert ein Mitglied der parlamentarischen Gerichtskommission, welche Keller dem Parlament zur Wahl vorgeschlagen hatte.

Kommissionspräsident Andrea Caroni (41) will sich noch kein Urteil anmassen. Er habe aber Keller und die AB-BA bereits für Mitte Mai in die Gerichtskommission einladen, wo sie aufzeigen sollen, wie sie sich das weitere Vorgehen vorstellen, sagt der FDP-Ständerat.

Nicht eingetreten ist das Bundesstrafgericht auf die Forderung Infantinos, alle bisherigen Amtshandlungen gegen ihn durch Keller seien für nichtig zu erklären.

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