Das erhofft sich eine Betroffene von der Inklusions-Initiative
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«Vorurteile abschaffen»:Das erhoffen sich Betroffene von der Inklusions-Initiative

Fernanda Hintz (26) setzt grosse Hoffnungen in die Inklusions-Initiative
Gehörlose kämpft für Dolmetscher im Kreisssaal

Schwanger und gehörlos – mit welchen Schwierigkeiten Fernanda Hintz aus Lenzburg zu kämpfen hat, können sich andere Schwangere gar nicht vorstellen. Die Inklusions-Initiative soll Abhilfe schaffen.
Publiziert: 27.04.2023 um 00:35 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2023 um 10:26 Uhr
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Fernanda Hintz ist gehörlos und hochschwanger.
Foto: Matthias Kempf
Dominique Schlund

Fernanda Hintz (26) ist hochschwanger. In den nächsten zwei, drei Wochen erwartet die Lenzburgerin ihr erstes Kind – ob es Mädchen oder Bub ist, will sie nicht wissen. Anderes hingegen schon: «Bei Gesprächen mit dem Arzt möchte ich gerne alles verstehen», sagt sie beim Treffen mit Blick.

Doch das ist oft gar nicht so einfach. Denn Fernanda Hintz ist gehörlos. Und sie musste dafür kämpfen, dass sie für die Geburt einen Gebärdensprachdolmetscher bekommt.

«Kommunikation ist oft Glückssache»

Termine bei der Bank, Arztbesuche, berufliche Meetings – für all das sind gehörlose Menschen wie Fernanda Hintz auf einen Dolmetscher angewiesen. Doch diese sind knapp in der Schweiz. Ein notfallmässiger Besuch beim Arzt kann da zum Problem werden.

«Ob man spontan einen Gebärdensprachdolmetscher bekommt oder nicht, ist oft eine Glückssache – die sind meist ausgebucht», sagt Hintz. Ihr Mann Dirk (39) ist ebenfalls gehörlos und kann daher auch nicht übersetzen.

Für die beiden werden selbst alltägliche Dinge oft zur Herausforderung, umso mehr in der Schwangerschaft. Es stehen viele Behördengänge und Arztbesuche an. Und stets müssen sie rechnen: Haben wir noch genügend Übersetzerstunden für diesen Monat übrig?

Monatlich nur zehn Übersetzerstunden

Denn dem Paar stehen monatlich zehn Dolmetscherstunden zur Verfügung. Mehr will die Invalidenversicherung (IV) dem Paar nicht bezahlen. «Dies reicht bei weitem nicht für alles, man muss also sehr gut einteilen und planen», sagt Fernanda Hintz.

Das Problem der Finanzierung ist allgegenwärtig. So hat das Paar erfolglos versucht, ein spezielles Babyfon für gehörlose Menschen über die IV abzurechnen. Nun muss es dieses selbst zahlen. Auch die Geburt kann zur finanziellen Belastung werden: 150 Franken kostet eine Stunde eines Gebärdensprachdolmetschers. Die Kosten für eine längere Geburt würden das Budget des Paares sprengen.

Das Problem ist der IV bekannt. Doch es fehlen die gesetzlichen Grundlagen, um Menschen wie Fernanda Hintz unkomplizierter und umfassender zu unterstützen. Die IV kann also nicht mehr Gelder sprechen. Um das zu ändern, wird am Donnerstag die Inklusions-Initiative lanciert. Sie soll das Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen mit Beeinträchtigung in der Verfassung verankern.

Das fordert die Inklusions-Initiative

In der Schweiz leben rund 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung. Und obwohl es bereits seit 23 Jahren ein Gesetz gibt, das Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verbietet, gibt es nach wie vor keine Gleichbehandlung.

Dies soll sich nun mit der Inklusions-Initiative ändern. Die Initiative will endlich allen Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Sie fordert, dass

  • die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in die Verfassung geschrieben wird.
  • Menschen mit Behinderung ihre Wohnform und ihren Wohnort frei wählen können und nicht mehr in Heimen leben müssen.
  • die Diskriminierung endlich aufhört – in Gebäuden, im ÖV, bei Dienstleistungen.
  • Menschen mit Behinderungen mehr Unterstützung erhalten, um beruflich oder politisch tätig zu sein.

In der Schweiz leben rund 1,7 Millionen Menschen mit Behinderung. Und obwohl es bereits seit 23 Jahren ein Gesetz gibt, das Diskriminierung aufgrund einer Behinderung verbietet, gibt es nach wie vor keine Gleichbehandlung.

Dies soll sich nun mit der Inklusions-Initiative ändern. Die Initiative will endlich allen Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen ein selbstbestimmtes Leben ermöglichen.

Sie fordert, dass

  • die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen in die Verfassung geschrieben wird.
  • Menschen mit Behinderung ihre Wohnform und ihren Wohnort frei wählen können und nicht mehr in Heimen leben müssen.
  • die Diskriminierung endlich aufhört – in Gebäuden, im ÖV, bei Dienstleistungen.
  • Menschen mit Behinderungen mehr Unterstützung erhalten, um beruflich oder politisch tätig zu sein.

Die Ungerechtigkeit beginnt in der Schulzeit

«Wir sind nicht behindert! Wir sprechen zwar eine andere Sprache, aber können genau das Gleiche leisten wie jede und jeder andere auch», sagt Hintz selbstbewusst. In der Tat arbeitet und zahlt sie Steuern wie jeder andere auch.

Nur werden ihr mehr Steine in den Weg gelegt. Das beginnt bereits in der Schule. Die Schweiz kennt keine zweisprachige Bildung, in der Lehrer auch Gebärdensprache sprechen. Diese Ungleichbehandlung in der Kindheit hat laut Hintz dramatische Folgen: «Der Nachteil in der Bildung zieht sich durchs ganze Leben – oder wie viele gehörlose Ärzte und Spitzenmanager kennen sie?»

Sie wünscht sich deshalb endlich eine klare gesetzliche Grundlage, die allen die gleichen Chancen und Möglichkeiten gibt. Sie hofft, dass sich durch die Inklusions-Initiative etwas bewegt. «Ich will kein Geld! Ich will nur endlich gleichberechtigt und umfassend am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.»

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