Und plötzlich gibt Fehr die Gössi. Wie die FDP-Präsidentin Petra Gössi (45) wendet sich auch SP-Regierungsrat Mario Fehr (62) von seiner Partei ab. Während die Schwyzerin vorerst nur der Parteispitze Tschüss sagt, gibt der Zürcher den Parteiaustritt per sofort.
Gössi will das Steuer einer Partei übergeben, die nicht weiss, wohin sie will. Einer Partei, von der immer weniger Bürger wissen, weshalb man sie wählen soll. Liberal, aber grün? Da nehm ich doch grünliberal. Streng bürgerlich, wirtschaftsfreundlich und im Grunde EU-kritisch? Das Original heisst SVP. Eine Partei für den Ausgleich zwischen links und rechts: Die Mitte – nomen est omen – ist besetzt.
Mit der Abgangsankündigung Gössis sind die Grabenkämpfe zwischen dem rechten Wirtschaftsflügel und den Ökoliberalen in der FDP offen aufgebrochen.
Fehr hasst es, kritisiert zu werden
Auch der Konflikt bei der SP schwelt schon länger. Und hier treten sie mit dem Abgang eines Amtsträgers ebenfalls richtig zutage. Auch bei der Sozialdemokratischen Partei dreht sich alles darum, wer parteiintern den Ton angibt. Mit der Person von Mario Fehr hat das wenig zu tun. Aber mit seiner Persönlichkeit: Er hasst es, kritisiert zu werden. Selbstkritik ist nicht sein Ding. Dass er sich bei der Migrationspolitik sowie bei der Sicherheitspolitik «verrannt» hat, wie es in der SP heisst, findet er nicht.
Die Schuld an der Situation bei der FDP einfach Petra Gössi anzulasten, wäre zu einfach. Ihr fehlte beispielsweise eine Fraktionschefin wie Gabi Huber (65), die Rückenschüsse auf die Präsidentin sofort abgestellt hätte.
Und bei allen Kritikpunkten an Fehr: Fehr steht sich zwar mit seinem Unfehlbarkeitsglaube selbst im Wege, aber für die Jusoifizierung der Sozialdemokraten kann er nichts.
Nicht Paradeplatz spielen
Gössis Vorgänger Philipp Müller (68) träumte davon, den Jungfreisinnigen die Krawatte ausziehen und einen Politikstil à la Juso zu betreiben, statt Paradeplatz zu spielen, aber der Erfolg der Jungsozialisten hat eine Kehrseite: Die Überwinder des Kapitalismus sind nun die tonangebende Generation in der SP.
Diese Leute verschrecken auch noch die letzten verbliebenen Büezer und Bähnler. Aber: Die SP steht noch immer besser da als die FDP. Personen wie Tamara Funiciello (31) und Jon Pult (36) können pragmatische wie utopische Strömungen mitnehmen. Die beiden sind in Bern und Graubünden zu Hause – und nicht irgendwo zwischen dem «Kapital» von Karl Marx und den Versprechungen von Nicolás Maduro (58) hängen geblieben.
Realitätsverweigerer, die meinen, je weniger Steuern Firmen zahlen, desto zufriedener sei das Volk, dürften es schwer haben. Doch: Realos müssen sich in der FDP auch erst zeigen.