Das grüne Label für Atom- und Gaskraftwerke in der EU ist – fast – beschlossene Sache: Bald werden Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke wohl als klimafreundlich eingestuft werden können. Im Europaparlament gelang es Gegnern am Mittwoch nicht, entsprechende Pläne mit einer Abstimmung zu stoppen.
In der Schweiz stösst das auf geteiltes Echo. Zufrieden zeigt sich der FDP-Politiker Christian Wasserfallen (41). «Das wird es auch in der Schweiz einfacher machen, in moderne Kernkraftwerke der vierten Generation zu investieren», ist er überzeugt. Er hoffe nun, dass die Haltung hierzulande überdacht werde.
«Strommix nötig»
«Die Pariser Klimaziele erreicht man nicht ohne Kernenergie», findet der Berner. Und auch die Schweiz habe schliesslich Sorgen bei der Energieversorgung. «Der einzige Weg daraus, ist auf einen Strommix zu setzen, der der nebst der Wasserkraft und anderen Erneuerbaren auch die Atomkraft aufnimmt. Das Technologieverbot muss aus dem Gesetz gestrichen werden.»
Auch das Nuklearforum begrüsste den Entscheid. Das EU-Parlament habe faktenbasiert entschieden. Saubere Energiequellen gegeneinander auszuspielen, sei sinnlos.
«Entscheid ist völlig irrelevant»
Anders sieht das SP-Energiepolitiker Roger Nordmann (49). «Der Entscheid ist ein klarer Fehler – aber er ist irrelevant.» Denn egal wie die Einstufung aussieht, ändere sich nichts daran, dass sich Investitionen in Atomenergie nicht lohnen würden. «Atomkraftwerke sind zu teuer und brauchen zu lange, um gebaut zu werden.»
Schärfer reagierte der trinationale Atomschutzverband (Tras), der gegen den Entscheid gerichtlich vorgehen will. Die Atom- und Fossillobby hätten keine Kosten und Mühen gescheut, das EU-Parlament auf ihre Seite zu ziehen. Das sei nicht akzeptabel. Der Atomschutzverband hat eigenen Angaben zufolge bereits mit einer französischen Anwältin Gespräche geführt, um Klage einzureichen.
Österreich will klagen
Auch die atomkritische Schweizerische Energiestiftung warnt vor nicht absehbaren Folgen. Das EU-Parlament verleihe das Nachhaltigkeitsprädikat ausgerechnet jenen zwei Branchen, die im Zentrum der aktuellen Energiekrise ständen. Die Folgen seien nicht absehbar. Sicher sei, dass sich die Krise nicht mit Investitionen in die beiden brennstoffbetriebenen Energiequellen überwinden lasse.
Auch auf europäischer Ebene regt sich Kritik: Österreich hatte umgehend angekündigt, eine bereits vorbereitete Nichtigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubringen, Luxemburg unterstützt diese.
Theoretisch könnte die Umsetzung des Kommissionsvorschlages auch innerhalb der EU-Gremien noch verhindert werden. Voraussetzung ist, dass sich bis zum 11. Juli mindestens 20 EU-Staaten zusammenschliessen, die mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU vertreten. Da aber viele Staaten Interesse an der Nutzung von Kernkraft haben, ist das sehr unwahrscheinlich.