«Fataler Fehler»
Auslandschweizer schelten Bundesrat für fehlende EU-Strategie

Die Auslandschweizer sind «äusserst besorgt» über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union. Sie fordern den Bundesrat auf, eine Strategie für die Zusammenarbeit mit der EU zu entwickeln.
Publiziert: 20.08.2022 um 12:51 Uhr
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Gemäss einer Resolution sind die Auslandschweizer «höchst beunruhigt über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU».

Der Abbruch des bilateralen Abkommens zwischen der Schweiz und der EU habe negative Auswirkungen für Schweizerinnen und Schweizer mit Wohnsitz in der EU. Das teilt die Auslandschweizer-Organisation am Samstag in einer Mitteilung mit. Darum wurde am Auslandschweizer-Kongress in Lugano eine Resolution an den Bundesrat verabschiedet.

Gemäss dieser Resolution ist man «höchst beunruhigt über die Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU». Die Folgen des Abbruchs der Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU könnten «nicht vollständig abgeschätzt werden». Der Verhandlungsabbruch durch den Bundesrat im Mai 2021 sei ein «grober und fataler Fehler».

Der Auslandschweizerrat fordert darum den Bundesrat «nachdrücklich auf, eine klare und transparente Strategie für die Wahrung der Errungenschaften der bilateralen Abkommen und die vollständige Aufrechterhaltung der Personenfreizügigkeit zu entwickeln».

«Wir leben heute in einer neuen Welt»

Die Kritik wird auch Bundespräsident Ignazio Cassis (61) gehört haben. Er war am Anlass anwesend und hat die Demokratie ins Zentrum seiner Rede gestellt. Nach einer zunehmenden Demokratisierung weltweit laufe die Geschichte seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wieder rückwärts Richtung Autokratie.

«Seit einiger Zeit war spürbar, dass eine Epoche vermeintlicher Stabilität zu Ende geht», sagte Cassis am Samstag in Lugano gemäss Redetext.

«Der brutale Angriffskrieg einer Uno-Vetomacht gegen ein souveränes Land in Europa hat diesen Epochenwechsel beschleunigt. Wir leben heute in einer neuen Welt», so der Schweizer Aussenminister in Anspielung auf den russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar dieses Jahres. Russlands Krieg habe die Friedensordnung Europas zum Einsturz gebracht.

Das Völkerrecht werde nicht respektiert oder teilweise gar mit Füssen getreten. Aufstrebende Mächte grenzten sich vom Westen ab. Stattdessen propagierten sie alternative Gesellschafts- und Entwicklungsmodelle. «Ich denke dabei natürlich vor allem an China», sagte Cassis. Das Land zeige eine beispiellose wirtschaftliche Entwicklung, die aber weder auf Demokratie noch auf einer liberalen Marktwirtschaft beruhe.

Demokratien unter Druck

«Multilaterale Lösungen für die grossen globalen Herausforderungen sind heute wichtiger denn je», sagte Cassis. Aber viele internationale Organisationen täten sich schwer. Sie seien in einer anderen Zeit erschaffen worden.

Auch in Europa sähen sich liberale Demokratien mit Vertrauenskrisen konfrontiert. Populistische Strömungen seien seit der Finanzkrise 2008 immer wieder aufgeflammt und hätten nationale Parteienlandschaften umgepflügt. Die Demokratie und der liberale Fortschritt seien also alles andere als gesichert.

Demokratien seien heute aber nicht nur von aussen, sondern auch von innen bedroht. «Illiberale Kräfte zeigen sich teilweise bereit, die demokratischen Institutionen, denen sie ihr Mandat verdanken, auszuhöhlen und wenn nötig zu Fall zu bringen», so Cassis. Von einer «Zeitenwende» zu sprechen, sei nicht übertrieben.

Neue Strategie in der Pipeline

«Vor allem liberale Demokratien verfügen über Korrekturmechanismen, mit denen Fehlentwicklungen justiert werden können. Der kritische Bürgerdialog ist eine ihrer grossen Stärken», sagte Cassis.

Es zeichne sich ab, dass das Ringen zwischen Demokratien und Autokratien in den nächsten Jahren prägend werde. Dem müsse der Bundesrat in seiner nächsten aussenpolitischen Strategie Rechnung tragen, so Cassis. Diese Strategie für die Jahre 2024 bis 2027 werde er im kommenden Jahr verabschieden. (SDA/sie)

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