Die Welt verschärft die Sanktionen gegen Russland. Ab Samstag können die zehn grössten russischen Banken nicht mehr mit Dollars handeln – das hat US-Präsident Joe Biden (79) am Donnerstag verkündet.
Die EU will sogar Russlands Präsidenten Wladimir Putin (69) und Aussenminister Sergei Lawrow (71) auf die Liste der sanktionierten Personen setzen – sie könnten dann nicht mehr in die EU einreisen, ihre Vermögen auf EU-Banken würden eingefroren.
Europa hängt an Putins Tropf
Zur maximalen Sanktion, dem Ausschluss Russlands aus dem Interbankensystem Swift, wurde bisher nicht gegriffen. Das würde bedeuten, dass Russland komplett vom internationalen Zahlungsverkehr abgekoppelt wäre.
Für Jan Oetting (45), Spezialist für Zahlungsverkehrssicherheit beim deutschen Beratungsunternehmen Consileon, keine Überraschung: «Wenn der Westen Swift für Russland komplett abschaltet, könnten wir das Erdgas nicht mehr bezahlen und Russland würde die Lieferung einstellen», sagt er zu Blick.
Die Sperrung der zehn grössten Banken treffe Russland bereits hart – immerhin gehe es um 50 Milliarden Dollar, die diese Banken jeden Tag über Swift versenden. Und sie lege gleichzeitig den Handel lahm: «Kein Geschäftsmann wird sich trauen, Waren nach Russland zu schicken, weil er nicht weiss, ob das Geld dafür kommt.»
Vergeltung im Cyberraum
Oetting sagt: «Wird Swift abgestellt, wird Putin sich rächen.» Der russische Präsident sehe schon die bestehenden Sanktionen als Finanzkrieg an. Die Vergeltung könnte im Cyberraum erfolgen. «Wir sollten uns darauf einstellen, dass Putin seinen staatlichen Hackern das westliche Finanzsystem als Ziel vorgibt.» Es habe schon seinen Grund, wenn Putin von Biden explizit davor gewarnt werde, Cyberangriffe auszuführen.
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Für solche Attacken biete sich Swift als bedeutendstes Zahlungssystem geradezu an. Angriffe auf das fünffach gesicherte System seien schwierig, aber möglich. Das bewiesen Hacker des nordkoreanischen Geheimdienstes vor ein paar Jahren, als sie der Zentralbank Bangladeschs via Swift 80 Millionen Dollar stahlen.
Russische Cyber-Grossmacht
«Man braucht dafür Hacker, Swift-Experten und Scheinfirmen», sagt Oetting. «Das macht man nicht mit fünf Leuten. Aber Russland ist im Cyberraum eine Grossmacht.»
So könnten Hacker virenverseuchte E-Mails an viele europäische Banken schicken. Versagen dort die Sicherheitssysteme und ein Mitarbeiter öffnet das Mail, würden die Hacker dann versuchen, sich bis zum Swift-System zu hangeln und Geld auszuleiten.
Grosser Schaden, geringes Risiko
«Wenn sie damit auch nur bei wenigen Erfolg haben, kommen wir zu einer neuen Krise in der Bankenwelt», so Oetting. Vor zwei Wochen hat die Europäische Zentralbank die Banken informiert, dass sie ihren Schutz hochfahren sollen.
Putin könnte also sehr viel Schaden anrichten. Das Risiko für ihn sei dabei klein, wie Oetting sagt. Denn ein Cyber-Angriff lasse sich sehr selten bis zum Absender zurückverfolgen. «Der Westen droht zwar damit, einen kritischen Cyber-Angriff als kriegerischen Akt zu werten. Aber das war noch nie ein Grund für einen Krieg und wird hoffentlich auch nie einer sein.»