«Der Bundesrat hat seine Antwort verschärft»
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Cassis zum Ukraine-Krieg:«Der Bundesrat hat seine Antwort verschärft»

Bundesrat bleibt auf Neutralitätskurs
Schweiz ergreift keine eigenen Sanktionen gegen Russland

«Heute ist ein trauriger Tag», sagt Bundespräsident Cassis zum Krieg in der Ukraine. Eigene Sanktionen gegen Russland wolle man trotzdem nicht ergreifen. Die Schweiz schaue aber, dass man Sanktionen der EU bei uns nicht umgehen könne.
Publiziert: 24.02.2022 um 09:06 Uhr
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Aktualisiert: 24.02.2022 um 19:07 Uhr
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Bundespräsident Ignazio Cassis hat eine Erklärung zum Krieg in der Ukraine abgegeben.
Foto: Keystone/Blick

Kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine sprach das Aussendepartement von Bundespräsident Ignazio Cassis (60) Klartext: «Dies ist eine grobe Verletzung internationalen Rechts», twitterte das EDA und verurteilte die Invasion aufs Schärfste.

Nach der Bundesratssitzung legte Cassis vor den Medien in Bern nach: «Heute ist ein trauriger Tag, wie wir ihn schon lange nicht mehr gesehen haben. Ein Tag, wie wir ihn nie wieder sehen wollten. Auf europäischem Boden hat ein bewaffneter Konflikt begonnen», sagte der Bundespräsident.

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Erneut verurteilte er den Einmarsch und forderte Russland zum sofortigen Truppenrückzug und zur Respektierung des Völkerrechts auf. Der russische Botschafter sei erneut ins Aussendepartement zitiert worden.

«Neutralität bedeutet nicht Gleichgültigkeit», betonte Cassis, weshalb der Bundesrat eine «klare Haltung» einnehme.

EU-Sanktionen werden nicht voll übernommen

Bloss, dass sich diese «klare Haltung» nicht in klaren Sanktionen gegenüber Russlands niederschlägt. Denn der Bundesrat bleibt seinem bisherigen Kurs treu. Nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 hatte er eine Verordnung erlassen, welche die Umgehung der EU-Sanktionen über die Schweiz verhindern soll.

«Aus Neutralitätsgründen hat die Schweiz die damaligen Sanktionen der EU gegenüber Russland nicht direkt übernommen», so Cassis. Und die Schweiz hält an diesem Vorgehen fest.

Was genau dies bedeutet, mochte Cassis an der Medienkonferenz nicht weiter ausführen. Nachdem er seine Erklärung verlesen hatte, überliess er Experten des Bundes das Feld, um den Entscheid zu erklären. Und diese hatten ihre liebe Mühe damit aufzuzeigen, was die Schweiz nun tatsächlich macht.

Vieles noch unklar

Vieles ist eben noch unklar. Zwar werden etwa die von der EU mit Finanzsanktionen belegten Personen und Banken ebenfalls ins Visier genommen. Aber weniger stark. Anders als in der EU sollen in der Schweiz keine Gelder von Russen eingefroren werden, wie Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erklärte. Welche Verschärfung der Bundesrat genau beschliesst, ist noch unklar.

Übernommen werden sollen derweil die Handelsrestriktionen gegenüber den Separatistengebieten Donetsk und Luhansk. Ob es noch weitere Verschärfungen geben wird, hängt von weiteren EU-Sanktionen ab. Es werde aber einige Tage dauern, bis die Schweiz diese jeweils umsetzen könne, sagte Bollinger.

«Derselbe Effekt wie Sanktionen»

Dass die Schweiz sich den EU-Sanktionen nicht diskussionslos anschliesst, sondern nur die Umgehung verhindern will, sorgt vielerorts für Unverständnis. Bollinger versuchte zu beschwichtigen: «Das hat mehr oder weniger denselben Effekt, als wenn Sanktionen direkt beschlossen würden.»

Bundesratssprecher André Simonazzi ergänzte, es gehe dem Bundesrat «letztlich darum, dass die Schweiz nicht für die Umgehung von Sanktionen gegenüber Russland benutzt werden kann». Damit will die Landesregierung auch die Tür für eine allfällige Vermittlungsaktion im Rahmen der Guten Dienste offen lassen.

Offen für Flüchtlinge

Offen zeigt sich die Schweiz derweil für die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge. Fluchtbewegungen gebe es einerseits innerhalb der Ukraine, aber auch Grenzstaaten wie Polen seien betroffen, sagte Christine Schraner Burgener, Staatssekretärin für Migration.

«Wir werden uns sicher solidarisch zeigen mit den Ukrainerinnen und Ukrainern», machte sie klar. Man werde entsprechende Gesuche prüfen.

Auch Ukrainer, die in der Schweiz seien, würden solidarisch behandelt. «Wir werden sicher niemanden zurückschicken.»

Geharnischte Reaktionen

Dass sich der Bundesrat um eine klare Ansage drückt, sorgt weitherum für Kopfschütteln: «Enttäuschender Nicht-Entscheid und Nicht-Auftritt des Bundesrats», twitterte Mitte-Präsident Gerhard Pfister (59). «Wichtig ist, dass die Sanktionen die russische Elite treffen, die Putin finanziert. Die Schweiz darf nicht der europäische Businesshub für Russlands Krieg werden.»

SP-Co-Chef Cédric Wermuth (36) hält es schlicht für «verantwortungslos», dass sich der Bundesrat den EU-Sanktionen nicht sofort vollumfänglich anschliesst. Und Grünen-Präsident Balthasar Glättli (50) wettert: «Der Bundesrat hat heute versagt, Haltung zu zeigen.»

Die SVP hingegen übt sich als Putin-Versteherin. «Der Bundesrat soll einzig dafür sorgen, dass die neutrale Schweiz nicht für die Umgehung von Sanktionen missbraucht wird», schreibt sie in einer Mitteilung. (dba/rus/SDA)

PdP Cassis 24.2.
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