Experte Christian Maag
«Leute werden digital abgehängt – und Bund will bei ihnen sparen»

Alle sollen digital am Leben teilhaben können, sagt Experte Christian Maag. Die Sparpläne des Bundes in diesem Bereich seien kontraproduktiv.
Publiziert: 29.11.2024 um 08:13 Uhr
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«Etwa ein Drittel der Schweizer Bevölkerung hat geringe digitale Grundkompetenzen»: Experte Christian Maag.
Foto: Fotos: Freepik - Montage: Beobachter

Auf einen Blick

  • Digitale Barrieren erschweren den Zugang zu Onlinediensten für viele Menschen
  • Allianz Digitale Inklusion Schweiz setzt sich für eine inklusive digitale Gesellschaft ein
  • Rund 20 Prozent der Bevölkerung sind Menschen mit einer Behinderung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Birthe Homann
Beobachter

Online einkaufen, die Steuererklärung am Computer ausfüllen oder via App im Restaurant reservieren: Was für viele eine Erleichterung ist, ist für andere ein Hindernis.

Etwa ein Drittel der Schweizer Bevölkerung hat geringe digitale Grundkompetenzen. Darunter sind auch Ältere oder Menschen mit Behinderungen. Auch technische Hürden, etwa fehlende Internet-Barrierefreiheit, erschweren den Zugang zu digitalen Dienstleistungen.

Artikel aus dem «Beobachter»

Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.

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Die Allianz Digitale Inklusion Schweiz (Adis) setzt sich für eine inklusive digitale Gesellschaft ein und will die digitale Teilhabe für alle fördern.

Christian Maag, Ihre Organisation will digitale Barrieren abbauen und Technologien und Dienstleistungen auch jenen Leuten zugänglich machen, die Mühe damit haben. Warum ist das wichtig?
Christian Maag:
Rund 20 Prozent der Bevölkerung sind Menschen mit einer Behinderung – wobei natürlich nicht alle von ihnen Mühe mit Digitalem haben, aber ein bedeutender Teil schon. Ähnlich geht es auch vielen älteren Leuten.

Aber wichtig zu wissen ist, dass auch viele Jüngere betroffen sind. Rund ein Drittel der Bevölkerung hat Mühe mit digitalen Kompetenzen. Jede sechste Person in der Schweiz verfügt ausserdem nicht über ausreichende Lese- und Schreibkompetenzen. Diese Menschen wollen wir unterstützen, damit sie den Anschluss nicht verlieren.

Was ist konkret zu tun?
Wir müssen das Thema sichtbar machen und die Leute dafür sensibilisieren. Ämter, Spitäler, Behörden und Firmen müssen sich bewusst sein, dass ein grosser Teil der Bevölkerung den Zugang zu Informationen und Dienstleistungen zu verlieren droht.

Benutzerfreundliche Webseiten in einfacher Sprache zum Beispiel sind ein Muss. Beratungs- und Unterstützungsangebote ebenfalls. Betroffene müssen wissen, dass es Kursangebote für sie gibt.

Die Anforderungen werden immer höher. Viele Log-in-Prozesse sind anspruchsvoll, man muss vom Browser zum Handy wechseln und Passwörter eingeben. Viele sind damit überfordert. Aber in Zukunft werden solche Prozesse häufiger werden.

Wer digital abgehängt ist, verliert die Teilhabe an der Gesellschaft und an der Politik. Eine gefährliche Entwicklung?
Ja, wenn ich da zum Beispiel an das elektronische Patientendossier denke. Oder ans E-Voting. Der Staat fördert diese Dinge, dann muss er auch dafür sorgen, dass ein Grossteil der Bevölkerung damit zurechtkommt und möglichst niemand abgehängt wird. Sonst haben wir ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Die kürzlich vorgestellten Sparpläne des Bundes betreffen aber auch Massnahmen zur Förderung der Grundkompetenzen Erwachsener. Diese sollen gestrichen werden.
Die Förderung der Grundkompetenzen von Erwachsenen ist eine der Massnahmen, die im Sparpaket des Bundes verhandelt werden. Der Bund will sich zurückziehen und so 60 Millionen Franken sparen. Und das heute, wo so viel Bedarf dafür da ist.

Die digitale Transformation schreitet voran, das kann nicht gestoppt werden. Und genau deshalb müssen alle dafür fit gemacht werden. Der Bund will auf Kosten derjenigen sparen, die es am nötigsten haben. Das ist nicht zeitgemäss und völlig kontraproduktiv.

Wie geht es weiter?
Am 10. Dezember werden die neuen Zahlen der PIAAC-Studie veröffentlicht, das ist die Pisa-Studie für Erwachsene. Ich bin gespannt, wie die Schweiz abschneiden wird. Bei der Pisa-Studie sind es fast 25 Prozent der 15-jährigen Schülerinnen und Schüler, die nicht richtig lesen und schreiben können. Das Problem nimmt eher zu als ab. Ich hoffe, dass der Bund noch umdenkt und die Dringlichkeit erkennt.

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