Ein bespraytes Haus, Stalking und Morddrohungen. Die Zürcher GLP-Kantonsrätin und ehemalige Nationalrätin Chantal Galladé (50) hat das alles erlebt. Zusammen mit ihrer Tochter Amélie (18) spricht sie im gemeinsamen «Galladé-Podcast» offen über ihre Erfahrungen.
Als junge Nationalrätin wurde sie von einem Mann gestalkt, der sie per Brief und Telefon kontaktieren und treffen wollte. Weil die Adresse von Galladé nicht öffentlich ist, hätte er die Wohnadresse der Mutter gesucht und auch gefunden. «Er ging zu meiner Mutter nach Hause und trank dort Kaffee», sagt Galladé im Podcast. Auch «20 Minuten» hat darüber berichtet. «Ich war schockiert und habe es der Polizei gemeldet.» Erst dann wird klar, dass der Mann in Deutschland aus dem Gefängnis ausgebrochen ist und international gesucht wird. «Ich habe nie erfahren, ob man ihn erwischt hat oder nicht», sagt Galladé.
Drohungen gegen Politiker
«Ich wurde bespuckt»
Kein Einzelfall. Galladé wurde auch angegriffen. «Ich wurde bespuckt.» Eine ältere Frau hätte sie auf dem Bahnhofsperron geschubst und angespuckt, als es um den zweiten Wahlgang im Zürcher Ständeratswahlkampf ging.
Dazu berichtet sie auch über Briefe mit Morddrohungen oder Drohungen gegen die Familie. Vor einigen Jahren wurde gar die Wand der Mietwohnung versprayt. «Das Sicherheitsgefühl hat sich verändert». Die Renovation hätte danach über 30'000 Franken gekostet. «Da gibt es keine Versicherung dafür.» Auch die Tochter Amélie erinnert sich im Podcast. «Ich hatte das Bild im Kopf, dass ich nicht mehr aus dem Fenster sah. Es war eine riesige Aufregung.»
Galladé ärgert sich aber auch über Missstände. «Wenn ich anonyme Drohungen mit Beschimpfungen bekomme, die nicht frankiert sind, stellt mir das die Post in Rechnung», sagt Galladé. «So könnte man jemanden finanziell in den Ruin treiben.» Im Kantonsrat habe sie zudem dafür kämpfen müssen, dass ihre Adresse nicht im Netz landet.
Heute würde sie früher melden
Bei der Polizei hätte sie nur die wenigsten Vorfälle gemeldet. «Gegen das meiste habe ich nichts gemacht, nur wenn es massivst und strafrelevant war», sagt Galladé. «Du verbringst so viel Zeit bei der Polizei und sie konnten nie jemanden überführen. Ausser beim Stalker ist mir nicht bekannt, ob er erwischt wurde.» Heute würde sie teilweise anders vorgehen, sagt sie zu Blick. «Es lohnt sich, sich konsequent zu wehren.» Die Polizei hätte ihr schon früher viel geholfen und sie und die Familie geschützt. «Heute gibt es auch beim Bund eine Meldestelle für bedrohte Politiker und man redet offen über das Thema.»
Galladé kritisiert im Podcast auch, dass in der Schweiz ein Stalking-Straftatbestand fehlt. Das könnte sich aber bald ändern. Die zuständige Kommission des Nationalrats hat einen Gesetzesvorschlag vorbereitet. Diesen unterstützt Galladé. «Jede Verschärfung ist hilfreich». Die bestehenden Straftatbestände wie Drohung oder Nötigung genügten nicht. «Auch in meinem Stalking-Fall wurde ich nie bedroht – trotzdem war es eine gefährliche Situation.»
Nach ihrem Rücktritt aus dem Bundesparlament hätten die Drohungen abgenommen, sagt Galladé. «Doch ganz weg sind sie nicht.» Trotzdem will sie jetzt wieder in den Nationalrat und sich für sozialliberale Anliegen einsetzen. «Ich finde es wichtig, sich von Drohungen nicht einschüchtern zu lassen.»
Die Erfahrungen von Galladé teilt sie mit anderen Politikerinnen und Politiker. Bei einer Umfrage des «Tages-Anzeiger» unter 2000 Parlamentariern gaben 549 Personen an, dass sie im Rahmen ihrer Parlamentsarbeit mindestens einmal persönlich verletzend angegangen wurden. (bro)