«Prostitution ist ein Akt bezahlter, sexueller Gewalt.» Davon ist EVP-Nationalrätin Marianne Streiff (63, BE) überzeugt. Eine gleichgestellte Gesellschaft könne nicht akzeptieren, dass ein Mensch den Körper eines anderen für Geld kaufe, findet sie.
Mit einem Vorstoss fordert die EVP-Präsidentin nun, dass in der Schweiz die Käufer von Sex – also die Freier – bestraft werden sollen. Wie es Schweden vor rund 20 Jahren entschieden hat und wie es unter anderem Norwegen, Frankreich und Nordirland eingeführt haben. Sex zu kaufen ist in diesem sogenannt nordischen Modell strafbar, sexuelle Dienstleistungen anzubieten aber legal.
Umstrittene Wirkung
Die Forderung nach Freier-Strafen sorgt in der Schweiz immer wieder für Diskussionen. Seit zwei Jahren lobbyiert etwa auch die Zürcher Frauenzentrale für ein Freierverbot. Dessen Wirkung ist allerdings umstritten. Denn obwohl Frauen und Männern, die anschaffen, keine Strafen drohen, wird befürchtet, dass das Geschäft durch die Kriminalisierung der Freier erst recht in den Untergrund verschoben würde – und die Betroffenen Ausbeutung gegenüber schutzlos ausgeliefert wären. Vor fünf Jahren hat eine Expertengruppe des Bundes eben deshalb davon abgeraten.
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Streiff aber weist darauf hin, dass sie auch Hilfsangebote für den Ausstieg fordert. Denn die psychischen und physischen Folgen seien verheerend – und ein grosser Teil der Frauen wolle aussteigen. Wirklich freiwillig schaffe nämlich keine an. «Ich bin sicher, dass ein Freierverbot den Frauen ein Instrument in die Hand geben würde, sich gegen gewalttätige Kunden zu wehren.» Und da dem Freier eine Strafe drohe, verschiebe sich das Machtverhältnis.
Ihr sei bewusst, dass die Bestrafung dem Sexgewerbe kaum ein Ende setzen würde, sagt Streiff. Aber es brauche ein Umdenken – «und eine klare Definition, wer der Täter ist».
«Der beste Schutz ist legale Arbeit»
Gar nichts vom Freierverbot hält man dagegen beim Netzwerk Prokore, dem verschiedene Schweizer Fach- und Beratungsstellen angehören. Es setzt sich für die Rechte der Sexarbeitenden ein. «Der beste Schutz ist die legale Arbeit», sagt Co-Geschäftsführerin Rebecca Angelini. Denn damit hätten die betroffenen Frauen – und Männer – die bessere Verhandlungsposition und könnten sich bei Gewalt auch wehren.
Bei einem Freierverbot würde der Zugang der Beratungsstellen und die Gesundheitsprävention bei den Betroffenen viel schwieriger, warnt Angelini zudem. «Es gibt zum Beispiel ausgeklügelte Sicherheitssysteme, um sich gegenseitig vor möglichen Gefahren zu warnen – die würden nicht mehr greifen, weil sich Sexarbeitende nicht mehr gemeinsam organisieren könnten.»
Für Migrantinnen keine Lösung
Angelini ist auch skeptisch, was Unterstützungsangebote für den Ausstieg betrifft. Sie verweist auf Frankreich, wo ähnliche Programme fast nur Französinnen erreicht hätten. «Und in der Schweiz sind bis zu 90 Prozent der Sexarbeiterinnen Migrantinnen.»
Das nordische Modell klinge für viele verlockend, weil es eine einfache Lösung suggeriere, erklärt Angelini. «Aber auf ein so komplexes Thema gibt es keine einfachen Antworten.» Was es brauche, seien sichere Migrations- und Arbeitsmöglichkeiten – und zwar in allen Branchen.