Die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz nimmt zu. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) musste seine Prognose für 2022 von 16'500 auf 19'000 Asylanträge bis Ende Jahr erhöhen. Das Rekordniveau der Flüchtlingskrise von 2015 wird damit voraussichtlich nicht erreicht. Die Migrantinnen und Migranten kommen vor allem über die sogenannte Balkanroute.
Zu den regulären Migranten kommen 80'000 bis 85'000 geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer hinzu, mit denen das SEM dieses Jahr rechnet. Derzeit sind es rund 65'000. Um alle Flüchtlinge unterbringen zu können, muss mehr Kapazität geschaffen werden.
Kapazität wird ausgebaut
«Angesichts der ansteigenden Auslastung hat das SEM damit begonnen, temporär stillgelegte Unterkünfte wieder in Betrieb zu nehmen und neue zu eröffnen. Darunter Mehrzweckhallen und Zivilschutzanlagen», teilt die Behörde auf Anfrage von SRF mit.
Auch die Kantone spüren die steigenden Flüchtlingszahlen. So werde im Aargau am Montag eine neue Unterkunft eröffnet und in St. Gallen kommen im Verlauf der nächsten Monate 100 bis 120 Plätze hinzu, wie die zuständigen Beamten gegenüber Radio SRF sagen.
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Zahlen wie in der Flüchtlingskrise
Während auf Bundesebene Anfang Sommer noch insgesamt 9000 freie Plätze vorhanden waren, sind es jetzt noch etwas mehr als 7000.
Auch als Transitland wird die Schweiz vermehrt genutzt. 6600 Migrantinnen und Migranten hat der Grenzschutz allein im September aufgegriffen. Solche Zahlen habe man zuletzt während der Flüchtlingskrise gesehen, sagte Christian Bock, Direktor des Bundesamtes für Zoll und Grenzsicherheit, im Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
Migranten aus anderen Ländern
Viele wollen laut Bock nach Frankreich und Grossbritannien weiterreisen. Etwa die Hälfte seien Afghanen, die andere Hälfte komme aus Nordafrika und Ländern wie Indien, Kuba oder Burundi. Der Nationalitäten-Mix hat sich, laut dem Zolldirektor, verändert.
Als Grund dafür vermutet Bock, dass viele visumsfrei nach Serbien einreisen könnten. Ähnlich äusserte sich Justizministerin Karin Keller-Sutter (58) vergangene Woche vor den Medien.
Arbeitskräfte gesucht
Judith Kohlenberger (35) von der Universität Wien sieht andere Gründe: Zu den Menschen mit Asylgrund aus Ländern wie Syrien oder Afghanistan kämen zunehmend Menschen aus Ländern wie Indien, Pakistan oder Marokko hinzu. Diese reagierten auf den steigenden Bedarf nach Arbeitskräften zum Beispiel in Spanien, Italien oder Frankreich, wo sie häufig schwarz als Erntehilfen beschäftigt würden, sagte die Migrationsforscherin gegenüber SRF.
Wenn diese auf der Durchreise erwischt würden, stellten sie oft auch in den deutschsprachigen Ländern einen Asylantrag, so Kohlenberger. Hinzu komme der Rückstau, der durch die Covid-Pandemie bedingt sei. Viele hätten schon vor der Pandemie in den Zielländern gearbeitet. (tom)