Wer hat wem welche Informationen gesteckt? Und wer hat davon gewusst? Diese und weiteren Fragen im Zusammenhang mit den Corona-Leaks wollen die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments nachgehen.
«Es geht nicht darum, Schuldige zu finden und zu verurteilen», betonte Matthias Michel (59, FDP), Präsident der GPK des Ständerats am Dienstag. Ziel sei vielmehr, dazu beizutragen, einen ähnlichen Fall in der Zukunft zu verhindern.
Ob das gelingt? Die Kommission kann dem Bundesrat höchstens Empfehlungen aussprechen oder – was seltener geschieht – Gesetzesänderungen vorschlagen. Ein Blick zurück zeigt, dass die Untersuchungen des Parlaments nur in Ausnahmefällen auch tatsächlich Folgen haben.
Fünf wichtige GPK-Fälle der vergangenen zwanzig Jahre:
2022: Bersets Erpressungs-Affäre
Der Fall sorgte für Schlagzeilen: Im November 2019 wurde Bundesrat Alain Berset (50) Opfer eines Erpressungsversuchs durch eine frühere Geliebte. Gegen ihn wurden daraufhin verschiedene Vorwürfe erhoben: Berset habe Mitarbeitende zu privaten Zwecken eingesetzt, sei von der Bundesanwaltschaft bevorzugt behandelt worden, ein Polizeieinsatz sei unverhältnismässig gewesen und Berset habe sich mit seinem Repräsentationsfahrzeug zu privaten Treffen chauffieren lassen.
Die GPK von National- und Ständerat kamen aber zum Schluss, dass alle Vorwürfe unbegründet seien. Sie hätten keinerlei Unregelmässigkeiten und keinen missbräuchlichen Einsatz von Bundesmitteln festgestellt. Allerdings: Dass ein Teil der Korrespondenz zwischen Bersets Departement und der Erpresserin gelöscht worden ist, war kein Thema im GPK-Bericht.
2019: Postauto-Bschiss
Mehr als 200 Millionen Franken. So viel hatte sich die Postauto-Spitze zwischen 2007 und 2015 durch Buchhaltungstricks unrechtmässig an Subventionen erschlichen. Der 2018 bekannt gewordene Subventions-Bschiss kostete die Verantwortlichen bei Postauto den Job, Post-CEO Susanne Ruoff (65) trat zurück.
Den Verdacht, dass die damalige Verkehrsministerin Doris Leuthard (59) von den illegalen Tricksereien wusste, konnte eine Untersuchung der GPK des Ständerats nicht erhärten. Sie kam aber Schluss, dass der Bund mitverantwortlich ist für den Skandal. Heftig kritisiert wurde unter anderem die mangelhafte Aufsicht über Postauto. Der Bundesrat zeigte sich allerdings in wichtigen Punkten wenig einsichtig. Von einem neuen Bundesratsausschuss für bundesnahe Unternehmen wollte er beispielsweise nichts wissen.
2018: Spesenaffäre im VBS
Auslöser waren die Kosten eines Weihnachtsessens sowie andere Spesenrechnungen. Ende 2016 hatte der damalige SVP-Verteidigungsminister Guy Parmelin (63) seinen Oberfeldarzt per sofort freigestellt. Das Verteidigungsdepartement (VBS) reichte zudem Anzeige ein wegen des Verdachts auf strafbare Handlungen. Damit sei übers Ziel hinausgeschossen worden, so das Fazit der GPK des Nationalrats. Bereits eine interne Untersuchung hatte die Vorwürfe nicht bestätigen können. Die Freistellung hätte daher kritischer hinterfragt werden sollen, auch die Anzeige sei vorschnell gewesen.
Gleichzeitig begrüsste die GPK, dass das VBS daraufhin eine neue Spesenregelung einführte. Ausnahmen seien nur noch mit grösster Zurückhaltung zu bewilligen. Sogar der Bundesrat erachtete einen Kulturwandel im VBS als nötig.
2007: Komplott-Vorwurf gegen Blocher
Im Debakel endete eine GPK-Untersuchung 2007. Eine Subkommission unter der Leitung von CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz (heute 71) ermittelte in der Affäre um die Absetzung des ehemaligen Bundesanwalts Valentin Roschacher (62). An einer Medienkonferenz im Herbst 2007 warf sie dem damaligen Justizminister Christoph Blocher (82) ein Komplott vor – und das wenige Monate vor den Bundesratswahlen.
Blocher bezeichnete die Untersuchung als «tendenziös». Und tatsächlich stellte sich in einer späteren Untersuchung der Geschäftsprüfungsdelegation heraus, dass es für die Verschwörung keinen Anhaltspunkt gibt. Blocher und der Bund einigten sich auf einen Vergleich, nachdem Ersterer wegen der Affäre eine Klage eingereicht hatte.
2003: Spuck-Attacke im Bundesgericht
Dass eine GPK-Untersuchung personelle Konsequenzen hat, ist äusserst selten. 2003 war das aber der Fall. Im Fokus stand Bundesrichter Martin Schubarth (heute 81, SP), weil er im Bundesgericht einen «NZZ»-Journalisten angespuckt hatte. Doch statt des Journalisten traf er einen Gerichtsschreiber. Ausserdem wurden ihm Unregelmässigkeiten in der von ihm geleiteten Gerichtsabteilung vorgeworfen. Das Urteil der GPK fiel deutlich aus: Sie forderte Schubarth zum Rücktritt auf – und zwar so schnell wie möglich. Schubarth tat das dann auch: Wenige Tage vor Veröffentlichung des Berichts trat er ab.