Er soll sich «im Dunstkreis von Reichsbürgern» bewegen
Diesen Deutschen wollen die Bündner nicht einbürgern

Die Bündner Bürgergemeinde Zillis-Reischen will einen Deutschen nicht einbürgern, weil er eine Nähe zu Reichsbürgern haben soll. Doch der Mann wehrte sich vor Bundesgericht – und bekommt zum Teil Recht.
Publiziert: 13.05.2022 um 13:10 Uhr
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Aktualisiert: 13.05.2022 um 16:08 Uhr
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Die Bündner Gemeinde Zillis wollte den Deutschen Ralf P. nicht einbürgern.
Foto: Zvg

Er lebt seit Jahren dort und engagiert sich sogar für die regionale SVP. Doch die Bündner Gemeinde Zillis-Reischen will nicht, dass Ralf P.* einer von ihnen wird. 2020 wollte sich der deutsche Unternehmensberater in Zillis einbürgern lassen. Doch die Gemeindeversammlung sagte nein. Denn P. wurde 2018 in der SRF-Sendung «Rundschau» an einer Veranstaltung gezeigt, die von mutmasslichen Reichsbürgern organisiert wurde. An dieser soll es auch zu Holocaustleugnungen gekommen sein, wie die «Südostschweiz» im Juni letzten Jahres schrieb.

Reichsbürger behaupten, die Bundesrepublik Deutschland sei in Wirklichkeit kein Staat, sondern ein Unternehmen. Sie erkennen Gesetze und Behörden nicht an und wehren sich teilweise gewaltsam gegen staatliche Massnahmen. Ausserdem sind sie mit rechtsextremen Gruppierungen verflochten.

Die Veranstaltung, an der der Deutsche teilnahm, stand unter dem Titel «Überleben im Willkürstaat». P. hielt dort einen Vortrag zum Thema «Vermögenssicherung im Ausland». Am Rande des Referats habe er sich aber auch zu angeblichen Kindsentführungen in Deutschland geäussert: Dort würden jährlich bis zu 100'000 Kinder ihren Eltern weggenommen und «Gleichgeschlechtlichen» zur Adoption zugeführt.

Gegenüber der «Rundschau» hatte P. sein «Engagement» für Kinder bestätigt, aber gleichzeitig gesagt, er habe nicht gewusst, dass er an einer Tagung der Reichsbürger aufgetreten war.

Kanton zweifelte an Integration

Wegen seines «Rundschau»-Auftritts bezweifelte der Kanton die Integration des Mannes – namentlich die Respektierung der Werte der Bundesverfassung als zweifelhaft und stand der Einbürgerung deshalb ablehnend gegenüber, wie es im am Freitag veröffentlichten Bundesgerichtsurteil hiess.

Die Bürgergemeinde in Zillis-Reischen hingegen kam zum Schluss, dass P. alle Voraussetzungen erfülle und sich nichts habe zu Schulden kommen lassen. Der Bericht des Kantons aber liess sie jedoch zweifeln. Die Stimmberechtigten verwehrten dem Deutschen an ihrer Versammlung im März 2020 schliesslich diskussionslos die Einbürgerung.

Kein rechtliches Gehör?

Weil keine Diskussion an der Bürgerversammlung stattgefunden habe, und der Vorstand grundsätzlich die Einbürgerung befürwortete, fehle es an der erforderlichen Begründung, argumentierte P. in seinem Weiterzug ans Gericht. Die Bürgergemeinde habe somit seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Das Bündner Verwaltungsgericht wies diese Beschwerde 2021 ab und begründete dies damit, dass der Bürgervorstand von Anfang an gezweifelt habe und der Entscheid somit nicht überraschend gekommen sei. Auch der Bericht des Kantons sei an der Versammlung vorgestellt worden. Ausserdem bekam der Deutsche im Nachgang an die Bürgerversammlung eine schriftliche Begründung.

Jetzt bekommt er 4000 Franken Entschädigung

Das Bundesgericht rügte nun in seinem am Freitag veröffentlichten Entscheid hingegen die Ablehnung des Einbürgerungsgesuchs und hob das Urteil des Verwaltungsgerichts auf. Auch eine nachträgliche Begründung der Ablehnung reiche nicht aus. Darin müssten laut Bundesgericht Begründungselemente verdeutlicht werden, die bereits an der Bürgerversammlung dargelegt wurden. Diese fehlten jedoch in diesem Fall.

Die Sache geht nun erneut an die Bürgergemeinde zur Beurteilung. Diese muss dem Deutschen Bewerber ausserdem 4000 Franken Entschädigung für das bundesgerichtliche Verfahren zahlen. (sf/SDA)

* Name geändert

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