Am Samstag wird es bei der FDP heiss hergehen. Die Partei will sich von ihren Delegierten am Samstag in Montreux VD grünes Licht geben lassen, gegen das «Technologieverbot» im Energiebereich vorzugehen. Es soll möglich werden, Atomkraftwerke der neusten Generation zu bauen.
Die AKW-Forderung ist parteiintern höchst umstritten – und kommt wegen der Zürcher Wahlen vom Sonntag für viele zur Unzeit. Wenn sich die FDP am Tag vor der Wahl für neue Atomkraftwerke ausspreche, komme das einer Wahlhilfe für die Grünliberalen gleich, meinen einige.
Das wollen verschiedene Parteimitglieder verhindern. Blick liegen mehrere Anträge und Ergänzungswünsche vor, die am Schluss alle darauf abzielen, den AKW-Entscheid am Samstag nicht in der geplanten Form zu fällen. Oder allenfalls gar keinen Beschluss herbeizuführen. Oder diesen zu verschieben. Oder einfach nicht abzustimmen. Oder aber die umstrittene Passage zu streichen oder diese abzuändern.
Mehreren Parteiexponenten ist es offenbar unwohl, dass die Freisinnigen ohne Not den Bau neuer AKW wieder ermöglichen wollen. Als prominenteste Gegnerin dieses Vorhabens erweist sich die frühere Waadtländer Regierungsrätin Jacqueline de Quattro (61). Sie beantragt die Streichung der gesamten umstrittenen Passage im Strompapier der FDP.
Wie Blick berichtete, hat die Parteipräsidentenkonferenz (PPK) auf Antrag der Zürcher Kantonalpartei über die Passage beraten, obwohl zuvor ein solcher Antrag im Parteivorstand klar gescheitert war. Die Konferenz der Kantonalparteichefs drückte die Passage aber dennoch ins Papier.
«Quer in der Landschaft»
De Quattro geht mit dem Vorhaben ihrer Partei hart in Gericht: Derzeit gebe es weder eine Akzeptanz in der Bevölkerung noch Investoren für ein neues Atomkraftwerk. Die Passage im Strompapier könne die Bemühungen um erneuerbare Energien und Energieeffizienz bremsen, sagt die frühere Präsidentin der FDP-Frauen.
Die Schweizer Stimmbevölkerung habe sich klar für die Energiestrategie des Bundes ausgesprochen. Diese sieht einen schrittweisen Ausstieg aus der Kernenergie vor und verbietet den Bau neuer Atomkraftwerke. «An dieser Ausgangslage hat sich nichts geändert.»
«Würde der Glaubwürdigkeit schaden»
Für de Quattro steht die Forderung, die Rahmenbedingungen für neue Kernkraftwerke zu schaffen, «nicht nur politisch, sondern auch energiewirtschaftlich völlig quer in der Landschaft», begründet sie ihren Streichungsantrag. Nicht einmal in der Strombranche werde der Bau neuer Atomkraftwerke als ernsthafte Option zur Sicherung der Stromversorgung in Betracht gezogen. «Selbstverständlich müssen technologische Fortschritte auch im Bereich der Nuklearenergie verfolgt werden», räumt die Waadtländerin ein.
Doch: «Eine Kehrtwende auf nationaler Ebene wäre ein falsches Signal und würde der Glaubwürdigkeit der FDP schaden.» Die Erwartung der Ex-Staatsrätin Jacqueline de Quattro an die Partei unter der Leitung von Thierry Burkart (46) ist glasklar.
Schadensbegrenzung
Nationalrat und Energiepolitiker Matthias Jauslin (59) wiederum will nur den folgenden Satz streichen lassen: «So sind die Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich KKW der neuen Generation zuzulassen.» Die heutige FDP-Frauen-Präsidentin Susanne Vincenz-Stauffacher (55) verlangt, dass dieser ersetzt wird durch eine Formulierung, wonach langfristig die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen seien, «damit auch die Kernkraft der neuen Generation einen Beitrag an die Versorgungssicherheit leisten kann, sofern ein Bedarf nachgewiesen, die Betriebssicherheit jederzeit gewährleistet und die Entsorgung der Abfälle sichergestellt ist.» Mit diesen Einschränkungen will die St. Gallerin das Vorhaben ihrer Partei abschwächen.
Und selbst der FDP-Parteileitungsausschuss möchte nicht an der bisherigen Version festhalten. Neu sollen Kernkraftwerke der neusten Generation möglich sein, «sofern dies durch private Investoren realisiert und die Sicherheit gewährleistet werden kann». Der Grundsatzentscheid soll aber gefällt werden. Diese Version dürfte laut Insidern bei der PPK-Sitzung vom Freitagabend Unterstützung finden und der DV als bevorzugte Version unterbreitet werden.
PPK entscheidet über Verschiebung
Wenn es denn überhaupt zur Abstimmung kommt. Denn Mitglieder der FDP Ausserrhoden zweifeln an der Rechtmässigkeit eventueller Beschlüsse. In den Parteistatuten stehe, dass sämtliche Abstimmungen sowohl an einer physischen wie auch an einer virtuellen Zusammenkunft als auch im Zirkularverfahren gefasst werden können. Die Delegiertenversammlung vom Samstag sei als hybride Versammlung angesetzt worden, bei der sowohl eine physische wie auch eine elektronische Stimmabgabe vorgesehen war.
Doch nun habe man daraus quasi eine Präsenzverstaltung gemacht. Denn abstimmen kann über die heikle Passage nur, wer im Saal zugegen ist. Es könne nicht angehen, dass die DV-Abstimmungsmodalitäten bei strategisch bedeutsamen Sachgeschäften kurzfristig zugunsten der physischen Versammlung abgeändert würden, finden Ausserrhoder Parteivertreter. «Ein demokratischer Beschluss ist damit ernsthaft infrage gestellt.» Wenn nicht auch elektronisch abgestimmt werden könne, müssten die Beratung und die Beschlussfassung von der Traktandenliste gestrichen werden.
Dem widerspricht das Generalsekretariat der FDP jedoch. «Die Entscheidfindung entspricht den Statuten», schreibt Parteisprecher Arnaud Bonvin. Die PPK werde darüber befinden, ob die Beratung verschoben werden soll.