Auf einen Blick
- Atommüll-Endlager in Stadel geplant. Gegner fordern Volksabstimmung
- Kritiker warnen vor Gefahren für künftige Generationen und Umwelt
- Nagra reicht 13 Gesuchsunterlagen mit 30'000 Seiten wissenschaftlicher Berichte ein
Seit September 2022 ist bekannt, dass das Atommüll-Endlager in der Zürcher Gemeinde Stadel gebohrt werden soll, genauer im Haberstal. Ab 2029 werden Bundesrat und Parlament über das Tiefenlager entscheiden. Der Baustart ist für 2045 vorgesehen.
Etwa im Jahr 2050 sollen dann erste schwach- und mittelaktive Abfälle eingelagert werden. Der Bereich für hochaktive Abfälle soll um etwa 2060 in Betrieb genommen werden.
Obligatorisches Referendum zwingend
«Ein Entscheid von einer Million Jahren Tragweite gehört vors Volk»: Mit diesem Slogan hat am Freitag vor den Medien in Bern eine Gruppe die nationale Diskussion über ein atomares Endlager neu lanciert. Ein derart komplexes Geschäft müsse dem obligatorischen Referendum unterstellt werden, hält das Komitee fest. Dann wäre neben dem Volks- auch das Ständemehr notwendig.
«Wir stimmen über Kuhhörner ab. Dann erst recht über eine hochgiftige, hoch radioaktive Atommülldeponie mitten in der Agglomeration Zürich, unter der Anflugschneise des Flughafens Kloten, in nächster Nähe zum Rhein und zur Landesgrenze», argumentieren die Gegnerinnen des Vorhabens gemäss den vorab verschickten Unterlagen. Ein Parlamentsbeschluss alleine reiche nicht aus.
Im Komitee vertreten sind Organisationen, die sich nach eigenen Angaben «wissenschaftlich und politisch mit dem Endlager auseinandersetzen». Zu den Kritikerinnen gehören unter anderem die Ende Monat zurücktretende Schaffhauser SP-Nationalrätin Martina Munz sowie die Zürcher alt GLP-Kantonsrätin Karin Joss.
Vorwurf der «einseitigen Kommunikation»
Sie wehren sich grundsätzlich gegen das Projekt der Nationalen Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) und deren «einseitige Kommunikation». Die Nagra als Projektverantwortliche definiere die Abbruchkriterien selbst, es existiere kein Plan B, und es fehlten Ausstiegsmöglichkeiten. «Es braucht Alternativen für den Fall, dass das Projekt abgebrochen werden muss.»
Aus Sicht der Gegnerinnen und Gegner ist eine Deponie für radioaktive Abfälle eine Gefahr für nachkommende Generationen, für Menschen und die Umwelt. Zudem sei die vom Gesetz geforderte leichte Rückholbarkeit nicht gegeben. Der Nachweis, dass man den Atommüll über Jahrtausende im Ereignisfall wieder an die Oberfläche bringen kann, sei im weichen Tongestein mit Hunderten von Kleinsttunnels nicht zu erbringen.
«Mit diesem Atommülllager lösen wir keine Probleme für künftige Generationen, im Gegenteil: Wir schaffen sie», hält das Komitee fest. Es gelte, die Atom-Abfälle zu schützen, zu hüten und weiterzuforschen, statt viele Milliarden Franken in eine Deponie zu stecken, «die irgendwann undicht und zum Mega-Sanierungsfall wird».
Noch in diesem Jahr sollen Verhandlungen starten
Die Nagra wird nächsten Dienstag beim Bundesamt für Energie (BFE) die Rahmenbewilligungsgesuche für das geologische Tiefenlager für radioaktive Abfälle und die Brennelementverpackungsanlage einreichen. Insgesamt legt sie dem Bund 13 Gesuchsunterlagen vor, die auf gut 200 wissenschaftlichen Berichten basieren. Diese Berichte umfassen zusammen rund 30'000 Seiten.
Bis Frühling 2025 überprüfen die zuständigen Stellen des Bundes, ob alle gesetzlich geforderten Unterlagen eingereicht wurden. Erst wenn diese vollständig sind, werden die Rahmenbewilligungsgesuche veröffentlicht. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die eingehende inhaltliche Prüfung der Gesuche durch die Behörden.
Gleichzeitig soll die Planung in Stadel vorangehen. Noch in diesem Jahr sollen die Verhandlungen über Abgeltungen für die betroffenen Gemeinden beginnen. Daran teilnehmen werden neben Gemeinden, Bund und Kantonen auch die Kernkraftwerkbetreiber, die für den grössten Teil der Abgeltungen aufkommen müssen. Wie viele Millionen Franken insgesamt an die Gemeinden in den Kantonen Zürich, Aargau, Schaffhausen sowie Deutschland fliessen, ist jedoch noch unklar.