Eine Rechtspopulistin als französische Präsidentin?
Darum wäre Le Pen auch für die Schweiz gefährlich

In der Stichwahl am Sonntag entscheidet Frankreich, ob Macron Präsident bleibt oder ob die Rechtspopulistin Le Pen in den Elysée-Palast einziehen wird. Eine Präsidentin Le Pen könnte die EU jedoch in eine Krise stürzen – wovon auch die Schweiz negativ betroffen wäre.
Publiziert: 22.04.2022 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 22.04.2022 um 12:18 Uhr
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Sie ist der französischen Präsidentschaft so nah wie nie – Rechtspopulistin Marine Le Pen.
Foto: imago/Xinhua

Gewinnt Emmanuel Macron (44) die Präsidentschaftswahlen, bedeutet das Kontinuität für die EU. Bereits im Wahlkampf 2017 hatte er seine proeuropäische Haltung ins Zentrum gestellt. Nicht so seine Gegnerin Marine Le Pen (53), Chefin des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN). So charmant sie sich derzeit auch gibt: Sie gilt als gefährlichste Frau Europas und ist so nah an einem Sieg wie noch nie.

Als französischer Präsident tat sich Macron in den vergangenen Jahren an der Seite der deutschen Ex-Kanzlerin Angela Merkel (67) als starker Mann Europas hervor. Zwar muss sich das Duo mit Macron und dem neuen deutschen Kanzler Olaf Scholz (63) noch einspielen, doch der Kurs ist klar: mehr Europa und ein stärkeres Europa auf der internationalen Bühne.

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Mit Macron ist die EU ein Partner der Schweiz

Auch für die Schweiz würde eine Wahl Macrons Kontinuität bedeuten: Seit dem Schweizer Nein zu den französischen Rafale-Kampfjets ist die Beziehung zwar etwas unterkühlt, doch im Alltag funktioniert die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Frankreich grundsätzlich gut.

Und auch in der Beziehung Schweiz-EU wäre es klar, wie es weiter geht: Zwar gehört Frankreich zu jenen EU-Staaten, die gegenüber der Schweiz hart auftreten, doch aufgrund der politischen Kontinuität wäre die EU ein berechenbarer Partner für die Schweiz.

Le Pen bringt Unsicherheit für Europa

Bei einem Einzug Le Pens in den Elysée-Palast hingegen gibt es viele Unbekannte, da sie während ihres Wahlkampfes oft widersprüchliche Aussagen machte. Zwar scheint ein Frexit – der EU-Austritt Frankreichs – vom Tisch zu sein. Doch warb die RN-Kandidaten für ein stark national ausgerichtetes Europa.

So kündigte sie im Falle ihrer Wahl die Einführung eines Vorrangs für Französinnen und Franzosen bei der Arbeitssuche und bei Sozialrechten an. Dies aber würde gegen fundamentale Prinzipien der Union verstossen, was diese niemals akzeptieren könnte.

Geeintes Europa im Interesse der Schweiz

Zudem würde eine Präsidentin Le Pen das Machtgefüge innerhalb der EU verändern. Denn in der Brüsseler Politik gibt das Duo Berlin-Paris den Ton an. Le Pen jedoch hatte bereits durchblicken lassen, nicht mehr auf dieses Bündnis setzten zu wollen. Damit bekämen Mitgliedstaaten wie Polen und Ungarn mehr Macht, die ihre eigenen Interessen über jene der EU stellen, so wie es auch der RN-Kandidatin vorschwebt.

Auf die EU-Aussenpolitik dürfte sich ein Sieg Le Pens ebenfalls auswirken: Neu hätte nicht nur Ungarns Präsident Viktor Orban (58) eine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin (69), sondern auch Frankreich – ausgerechnet in einer Zeit, in der die EU mit ihren Sanktionen gegen Moskau endlich einmal Geschlossenheit demonstriert. Eine aussenpolitisch geeinte EU ist angesichts des Krieges Russland-Ukraine jedoch auch im Interesse der Schweiz.

Hingegen dürfte eine Präsidentin Le Pen keine Kursänderung für die Beziehung Bern-Brüssel bedeuten. Denn selbst wenn Le Pen die Forderungen der Schweiz bei den institutionellen Fragen unterstützen würde, weil diese – etwa ein starker Lohnschutz – auch in ihr politisches Konzept passen: Bern muss seine Beziehung mit der EU und nicht mit Paris regeln. Und verhandelt wird sowieso mit der EU-Kommission.

Wacklige EU ist eine Gefahr für die Schweiz

Zudem sollte der Blick in die Vergangenheit eine Warnung sein: Politiker in der Schweiz hatten gehofft, mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU bekäme die Schweiz einen mächtigen Verbündeten gegen die EU.

Doch Bern geriet in «Geiselhaft» der Verhandlungen zwischen Brüssel und London. Die durch den Brexit erschütterte EU wollte aus Angst vor künftigen Forderungen Grossbritanniens keine Zugeständnisse an die Schweiz machen und trat hart gegenüber Bern auf. Das Resultat ist bekannt: Die institutionellen Fragen sind bis heute nicht geklärt.

Falls nun eine Präsidentin Le Pen mit ihrer Politik das Fundament der EU erschüttert, könnte die EU erneut besondere Härte gegenüber Drittstaaten zeigen, um die eigenen Prinzipien zu schützen. Damit dürfte eine Lösung der institutionellen Fragen weiter in die Ferne rücken. Und die von der EU eingeleitete Erosion der bilateralen Verträge dürfte weiter gehen – zum Nachteil der Schweiz. (SDA)

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