«So wie es jetzt geregelt ist, funktionierts nicht wirklich»
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Trotti-Terror in Zürich:«So wie es jetzt geregelt ist, funktionierts nicht»

E-Scooter nerven Fussgänger
Eine Plage auf zwei Rädern

Sie heissen Bird, Lime oder Voi – und blockieren Türen, Trottoirs, Treppen. SonntagsBlick war mit Nationalrätin Marionna Schlatter auf Scooter-Safari in Zürich.
Publiziert: 07.05.2023 um 00:47 Uhr
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Aktualisiert: 15.05.2023 um 11:15 Uhr
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Beinahe-Crash auf der Langstrasse: Zwei Männer auf Kollisionskurs mit einer Rollstuhlfahrerin. Dazwischen ein herrenloses E-Trotti.
Foto: Siggi Bucher
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Peter AeschlimannRedaktor

Sie schiessen wie Pilze aus dem Boden der Schweizer Städte, doch die diplomierte Pilzkontrolleurin Marionna Schlatter (42) hat an E-Scootern keine Freude: «Oft nervt es einfach.»

SonntagsBlick ist mit der Grünen-Nationalrätin und Präsidentin von Fussverkehr Schweiz in der Zürcher Innenstadt unterwegs. Es ist Freitagnachmittag, die Frühlingssonne wärmt den Asphalt, bald setzt der Feierabendverkehr ein.

Die Elektrotrottinetts sind zur Plage geworden, versperren Wege und landen vor allem zur Sommerszeit immer wieder in Flüssen und Seen. Wir wollten mit der Politikerin herausfinden: Ist es wirklich so schlimm?

Was gleich auffällt: Lime und Bird und Voi sind hier überall zu finden, die Behörden haben den Betreibern Bewilligungen für den Verleih von 4000 Trottis erteilt. Im Spätsommer 2021, auf dem Höhepunkt des Hypes, sprach man von 65 000 Fahrten pro Woche. Inzwischen seien es deutlich weniger, heisst es bei der Stadt auf Anfrage.

Blockierte Notausgänge

Kaum losmarschiert, bleibt Schlatter stehen und schüttelt den Kopf: «Hier haben wir den Klassiker!» Nicht weit vom Löwenplatz blockiert ein rosaroter Roller das an dieser Stelle keine zwei Meter breite Trottoir. «Notausgang freihalten», steht auf der Tür daneben: ein Stillleben der Gleichgültigkeit. Wer sein Vehikel so abstelle, sagt Schlatter, übernehme keine Verantwortung für den öffentlichen Raum, in dem sie oder er sich bewege. Ein Mentalitätsproblem: «Es ist ja nicht meins, irgendwer räumt es dann schon weg.»

Als der Trotti-Boom vor rund fünf Jahren von der US-Westküste nach Europa schwappte, hofften viele auf ein Wunder. Dass Menschen für kurze Strecken, die sie sonst im Auto zurücklegen, auf den Roller umsteigen. Man träumte von weniger verstopften Strassen und freien Sitzplätzen im Tram. Das Gegenteil ist wahr geworden, wie mittlerweile mehrere Studien belegen: E-Scooter führen zu Mehrverkehr, benutzt werden sie hauptsächlich zum Vergnügen.

Für Schlatter geht die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht auf: «Der prophezeite Verlagerungseffekt war Wunschdenken – und wie sich herausgestellt hat, ein falsches Versprechen.»
Die Scooter beanspruchen Platz, verbrauchen Energie, kosten Nerven – und manchmal auch Menschenleben. Im letzten Jahr verunglückten drei Personen in der Schweiz tödlich, 114 verletzten sich schwer.

«Die Benützung von E-Trottinetts wirkt kinderleicht, ist jedoch mit Risiken verbunden», sagt Christoph Leibundgut, Sprecher bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU). Schon kleine Löcher oder Absätze könnten zu Stürzen führen, zudem komme es auch zu Zusammenstössen mit Motorfahrzeugen, Fussgängern und Velofahrern.

Blindenführlinie zuparkiert

In der Europaallee beim HB, mitten in einer Fussgängerzone, hat jemand seinen E-Scooter auf der Blindenführlinie parkiert. Weitere Roller machen das Flanieren zum Hindernislauf. Das Schöne am Gehen sei doch, dass man sich nicht ständig konzentrieren müsse, sagt Marionna Schlatter. Die Zürcher Oberländerin steigt in der City weder auf Trottis noch aufs Velo. Das findet sie zu stressig oder gar gefährlich. Sie mag es, einfach zu gehen und an nichts denken zu müssen. «Das nehmen uns die rücksichtslosen Scooter-Fahrenden weg, sie schränken uns in unserer Freiheit ein.»

Im Kreis 5 kommt es dann zum Beinahe-Crash. Zwei junge E-Scooter-Piloten im Partylook rasen auf dem Trottoir Richtung Limmatplatz, eine Frau im Rollstuhl kommt ihnen entgegen. Die Annahme, dass der Begriff Trottinett von Trottoir kommt, scheint offensichtlich weiter verbreitet zu sein. Doch das Befahren des Gehsteigs mit Scootern ist laut Strassenverkehrsgesetz verboten. «Wir dachten, es sei gerade umgekehrt», entschuldigen sich die beiden.

Das perfekte Negativbeispiel gibt ein halterloses Trotti, das die Platzverhältnisse auf dem Trottoir noch prekärer gestaltet. «So was macht mich putzhässig», sagt Francesca Figaroli. Mit dem Rollstuhl könne sie nicht über den Randstein auf die Strasse ausweichen. Versperrt ihr ein Hindernis den Weg, muss sie umkehren und zum nächsten Fussgängerstreifen fahren, um die Strasse zu überqueren. Die Leute denken nicht mit, sagt die 43-jährige Zürcherin. «Viele verhalten sich richtig asozial.»

Dabei sind die Regeln klar: In Zürich ist das Abstellen auf dem Trottoir nur erlaubt, wenn ein anderthalb Meter breiter Raum frei bleibt. Falsch parkierte Fahrzeuge müssen die Betreiber innert 24 Stunden entfernen. «Soweit möglich, führt die Stadtpolizei Kontrollen durch und interveniert, wenn jemand sein E-Trottinett nicht korrekt abstellt», sagt Robert Soos vom Sicherheitsdepartement.

Fehlendes Personal

Aber auch das ist Wunschdenken, meint Marionna Schlatter: «Wir haben ein Vollzugsproblem.» Für effektive Kontrollen fehlten den Behörden das Personal – und bisweilen wohl auch das Interesse.

Die Gemeinde Wetzikon ZH hat in diesem Frühling ein E-Trotti-Projekt gestoppt. Grund waren die vielen negativen Reaktionen aus der Bevölkerung. In Paris sind E-Scooter seit kurzem ganz verboten. Als Präsidentin von Fussverkehr Schweiz strebt Marionna Schlatter Lösungen an, die eine Koexistenz möglich machen: Fixe Standorte würden das Problem des Wildparkierens beheben. Eine Halterhaftung, wie sie für Mietautos gilt, würde sie begrüssen. Sie weiss: Wir werden diese knallbunten Plagegeister, von den Städten gerufen, so schnell nicht mehr los.

Wäre die Nationalrätin denn für ein Verbot? Langes Schweigen. «Ich sehe den Mehrwert der E-Scooter im städtischen Verkehr nicht.» Man habe es versucht, sagt Schlatter, nun müsse man sich eingestehen: «Gelohnt hat es sich nicht.»

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