Darum gehts
- Italien verweigert Rückübernahmen von Asylsuchenden durch Nichtstun und Nichtantworten
- 1454 Asylsuchende mussten in der Schweiz geprüft werden wegen Italiens Verweigerungshaltung
- Somalische Familie wartet seit 28 Monaten auf Asylentscheid in der Schweiz
Es wurde nichts entschieden. Monatelang. Bereits im Dezember 2022 hatte eine somalische Familie ein Asylgesuch in der Schweiz gestellt. Doch bis heute wissen die Frau und ihr Kind nicht, wie es weitergeht. Der Mann ist inzwischen untergetaucht.
Seit Ende 2022 heisst es für die Familie: Warten, warten und nochmals warten. 28 Monate lang fällte das zuständige Staatssekretariat für Migration (SEM) keinen Beschluss. Doch jetzt muss es: Das Bundesverwaltungsgericht hat die Behörden soeben dazu verdonnert, vorwärtszumachen. Alles andere ist Rechtsverzögerung, stellten die Richter fest.
Der Grund für das Schlamassel: Italien und die Weigerung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni (48) zur Zusammenarbeit. Der Fall zeigt, wie sehr sich der südliche Nachbar der Schweiz um die Kooperation im Asylbereich foutiert. Rückübernahmen von Asylsuchenden verweigert er – schlicht durch Nichtstun. Dolce far niente bei Italiens Asylbehörden! Fast zwei Jahre lang blieben sie in diesem Fall untätig. Sie antworteten der Schweiz einfach nicht.
Zwei Jahre statt acht Tage
Zwar stimmte Italien schon im März 2023 der Rückübernahme der Familie zu, da diese in Italien eine Aufenthaltsbewilligung als Flüchtlinge hatte. Aber dann passiert nichts mehr. Italien antwortete schlicht nicht mehr auf eine weitere Anfrage aus der Schweiz. Acht Tage Zeit hätten die Behörden für ihre Antwort laut bilateralem Rückübernahmeabkommen gehabt. Doch fast zwei Jahre später war noch keine Antwort da. Nun entschied das Gericht, dass der Bund auch ohne Mitwirken Italiens entscheiden muss.
Unverständlich ist für das Gericht, dass der Bund nie in Italien nachgehakt habe. Warum wurde nicht mehr Druck gemacht? Warum liess man sich auf der Nase herumtanzen? Zum konkreten Fall will sich das SEM nicht äussern, die Amtsstelle von Bundesrat Beat Jans (60) betont aber: Man sei regelmässig in Kontakt mit italienischen Behörden, «von der operativen Ebene bis zur Ministerialebene».
Verweigerung in 1454 Fällen
In diesem Fall ging es um eine Familie, die bereits eine Aufenthaltsbewilligung in Italien hatte. Noch gravierender aber ist die Lage bei den Dublin-Fällen, also bei Personen, die nur in Italien registriert worden sind, aber dann ihr Asylgesuch in der Schweiz stellen. Nach dem Abkommen müsste Italien diese Personen zurücknehmen.
Doch seit dem Amtsantritt der Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Ende 2022 hält sich Italien nicht mehr an das Abkommen. Für die Schweiz hat diese Verweigerungshaltung Konsequenzen: Für 1454 Asylsuchende ist die Frist zur Überstellung abgelaufen, die Schweiz musste deshalb ihre Gesuche im nationalen Asylverfahren prüfen. 511 Personen haben bisher Asyl erhalten oder sind vorläufig aufgenommen.
Justizminister Beat Jans traf im November seinen italienischen Kollegen Matteo Piantedosi (61). Dieser zeigte sich damals «gesprächsbereit bei der Rückübernahme von Dublin-Fällen». Geschehen ist aber offenbar nichts. «Wir bleiben in Kontakt mit Italien», sagt das Staatssekretariat für Migration heute.
Masche Meloni auch in Griechenland?
Die Masche Meloni droht auch anderswo, nämlich in Griechenland. Aktuell gibt es dorthin keine Dublin-Überstellungen mehr, weil man 2011 Mängel im griechischen Asylsystem festgestellt hat. Nun will der Bund zwar wieder damit beginnen – «auf einem tiefen Niveau für nicht vulnerable Einzelpersonen». Allerdings stecken alle diese Fälle noch vor Gericht fest, weshalb es keine Überstellungen gab.
So oder so ist klar: Auch hier dürfte es schwierig werden. Eben erst hatte ein deutsches Gericht entschieden, dass Asylsuchende wieder nach Griechenland zurückgeführt werden können. Daraufhin machte die griechische Regierung vergangene Woche deutlich, dass sie die gültigen Dublin-Abkommen nicht respektieren wird.
Denn wie der Mittelmeerstaat Italien sieht man sich als übermässig stark betroffen – und von den anderen Staaten des Schengen-Dublin-Abkommens im Stich gelassen.
«Solange es keine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen Union gibt, wird Griechenland keine Rückführungen akzeptieren», sagte der zuständige griechische Migrationsminister Makis Voridis (60). Man prüfe zwar Anträge, stehe ihnen aber «nicht besonders offen gegenüber». Der Fall Italien könnte sich für die Schweiz also bald wiederholen.