Doch Berset wehrt sich
Cassis will per Notgesetz die Hamas verbieten – im Eilverfahren

Aussenminister Ignazio Cassis will den ordentlichen Gesetzgebungsprozess umgehen – und die Hamas schnellstmöglich als Terrororganisation einstufen. Doch im Bundesrat regt sich Widerstand.
Publiziert: 15.11.2023 um 13:48 Uhr
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Aktualisiert: 15.11.2023 um 14:50 Uhr
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Bundesrat Ignazio Cassis schaltet den Turbo ein – und will die Hamas per Notgesetz verbieten.
Foto: keystone-sda.ch

Der Aussenminister Ignazio Cassis (62) will kurzen Prozess machen. Die Hamas soll in der Schweiz verboten und als Terrororganisation eingestuft werden. Dies per Sondergesetz. Einen entsprechenden Antrag soll er dem Bundesrat unterbreitet haben, wie verschiedene Quellen Blick gegenüber die Angaben des «Tages-Anzeigers» bestätigen. Doch laut diesen Informationen wehrte sich Innenminister Alain Berset (51) per Mitbericht gegen die Pläne von Cassis.

Mittels Sondergesetz würde der ordentliche Gesetzgebungsprozess abgekürzt. Und das hält Cassis offenbar für notwendig. So will er, dass der Bundesrat das Notgesetz dem Parlament unterbreitet. Stimmen beide Kammern zu, tritt das Hamas-Verbot per sofort in Kraft. Eine allfällige Referendumsabstimmung würde erst im Nachhinein durchgeführt. Das heisst: Die Volksrechte würden eingeschränkt.

UNO stuft Hamas nicht als terroristisch ein

Mit dem Verbot plant Cassis, gegen allfällige Aktivitäten der Hamas in der Schweiz vorzugehen. Beispielsweise wäre es dadurch möglich, eine propagandistische Unterstützung der Hamas unter Strafe zu stellen. Bisher sind in der Schweiz der Islamische Staat und die Al-Qaida verboten. Die Hamas hingegen nicht, da die Schweiz per Gesetz eigentlich nur jene Organisationen untersagen darf, die auch durch die UNO verboten sind. Um das nun aber zu umgehen, will Cassis ein Sondergesetz erlassen.

Bereits anfangs Oktober hatte die Landesregierung entschieden, die Hamas verbieten zu wollen. Dazu sollten rechtliche Schritte geprüft werden. Doch jetzt regt sich Widerstand im Bundesrat. Dem Vernehmen nach soll Cassis Amtskollege Alain Berset einen Mitbericht eingereicht haben. Und darin wird kritisiert, dass ein Hamas-Verbot ein gefährlicher Präzedenzfall sei.

Cassis steht unter Druck

Dass Cassis jetzt dennoch auf ein Sondergesetz drängt, dürfte dem enormen politischen Druck geschuldet sein. Nach dem Hamas-Angriff forderten Politikerinnen und Politiker von links bis rechts, die Schweiz solle die Organisation als terroristisch einstufen. Selbst die Sicherheitskommission des Nationalrats fällte diesen Entscheid ohne Gegenstimmen.

Doch in der Vergangenheit sah die Schweiz von solch eigenständigen Verboten stets ab. Weder die Tamil Tigers, die irische IRA, noch die kolumbianische Farc erhielten von der Schweiz eine terroristische Einstufung. Der Basler Professor für Politikwissenschaft Laurent Goetschel stellt sich denn auch im Tages-Anzeiger dagegen, politische Akteure als Terrororganisation einzustufen. Selbst wenn diese Gräueltaten begehen.

Experte kritisiert – Verbot wäre inkonsistent

«Die Schweiz hat bisher bewusst keine Liste terroristischer Organisationen geführt, weil sie sich vorbehalten wollte, mit potenziell allen Akteuren in Konflikten zu reden», sagt Goetschel. Aus seiner Sicht wäre es für die Schweiz weiser, jetzt dem politischen Druck standzuhalten und das Prinzip ihrer Politik zu erläutern. Anstatt später Gefahr zu laufen, als inkonsistent und parteiisch angesehen zu werden.

Der Nachrichtendienst des Bundes verweist darauf, dass es bisher kaum Hamas-Aktivitäten in der Schweiz gegeben habe. Kritische Stimmen meinen deshalb, es gebe keinen Grund für ein Notgesetz. Allerdings gibt es Anzeichen darauf, dass die Hamas auch aus der Schweiz finanziert wurde. Die Bundesanwaltschaft hat diesbezüglich bereits vor dem Hamas-Angriff Ermittlungen in die Wege geleitet. (rba)

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