«Hätten keinen Ferrari gekauft, wenn es ein VW getan hätte»
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Amherd zu F-35-Beschaffung:«Hätten keinen Ferrari gekauft, wenn es ein VW getan hätte»

Die Schweiz und ihre Kampfjets
Jahrzehnte voller Pleiten, Pech und Pannen

Wenn die Schweiz neue Kampfjets kaufen will, kommt es regelmässig zu Problemen. Mal wird das Parlament hintergangen. Mal sind die Flieger schlicht zu teuer. Und mal will das Volk einfach nicht, wie es soll.
Publiziert: 01.07.2021 um 06:21 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2021 um 11:05 Uhr
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Verteidigungsministerin Viola Amherd hat ein Budget von sechs Milliarden Franken zur Verfügung. Sie will damit 30 bis 40 Jets beschaffen.
Foto: MARCEL BIERI
Daniel Ballmer

Er ist der beste Jet zum bestem Preis: die F-35 des US-Herstellers Lockheed Martin. Nach langer Evaluation hat sich der Bundesrat heute für den Tarnkappenjet entschieden. 36 neue Maschinen sollen im Verlauf der nächsten Jahre beschafft werden. Der Preis: knapp 5,1 Milliarden Franken.

«Das ist der günstigste Preis von allen, die uns angeboten wurden», begründet Verteidigungsministerin Viola Amherd (59) den Entscheid. Neben der nun favorisierten F-35 standen der F/A-18 Super Hornet von Boeing, die Rafale des französischen Herstellers Dassault und das Airbus-Flugzeug Eurofighter zur Auswahl. «Wir haben jetzt ein Flugzeug, das am besten abgeschnitten hat und zudem noch den günstigsten Preis hat.»

Initiative in den Startlöchern

Amherd kann von Glück sagen, dass es überhaupt zu dem Entscheid kommen konnte. Denn im vergangenen September wäre die gesamte Schweizer Luftwaffe beinahe abgestürzt. Nur mit einem Zufallsmehr von rund 8000 Stimmen hatte das Stimmvolk die Jet-Beschaffung abgesegnet.

Das Geschäft aber ist noch immer nicht in trockenen Tüchern. Denn: Die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA), SP und Grüne werden im August eine Volksinitiative lancieren, um den Kauf auf der Zielgeraden doch noch zu verhindern. Die Zitterpartie geht also weiter.

Der Kauf neuer Kampfjets ist für die Schweiz immer wieder ein Knorz. Das zeigt ein Blick in die Vergangenheit.

Die Mirage-Affäre

870 Millionen Franken hatte das Parlament 1961 bewilligt. 100 hochmoderne französische Mirage-III-Kampfflugzeuge sollten damit beschafft werden. Mitten im Kalten Krieg war der Armeespitze nur das Beste gut genug.

Doch die Kosten liefen aus dem Ruder. Die zuständigen Stellen hätten Beschlüsse gefasst, die weit über ihre Kompetenzen hinausgegangen seien, wurde später kritisiert. Hohe Militärkader schmiedeten sogar Pläne, um eigene Atomwaffen zu beschaffen.

Der Bundesrat hatte das Parlament stellenweise gezielt in die Irre geführt, was die technische Reife des Flugzeugs und die Kostenfrage betraf. Nach einer Untersuchung zog das Parlament die Notbremse: Von den benötigten 576 Millionen Mehrkosten wurden nur 150 Millionen bewilligt. Zuletzt kaufte die Schweiz nur 57 statt 100 Mirage IIIS.

Die Affäre blieb nicht ohne Folgen: Divisionär Etienne Primault, Kommandant der Luftwaffe, wurde seines Amtes enthoben, Generalstabschef Jakob Annasohn trat zurück. Zwei Jahre später, am 28. November 1966, nahm auch der damalige Verteidigungsminister Paul Chaudet (1904–1977) den Hut. Sein Rücktritt sollte das Ende des Polit-Skandals markieren.

Das «Kampfflugzeug des armen Mannes»

Der Kauf neuer Kampfflugzeuge sollte ein zähes Geschäft bleiben. 1972 hatte der Bundesrat die Beschaffung neuer Jets des Typs Corsair A-7 aus Spargründen gestoppt. Erst drei Jahre später war es soweit. Die Schweiz fasste den Kauf der Northrop F-5 von US-Hersteller Lockheed ins Auge. «Der Tiger ist der einzige, der im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten in ausreichender Zahl gekauft werden kann», schrieb die Regierung im August 1975.

Doch von politischer Seite gab es erneut Bedenken. Der Lockheed-Konzern war in einen Korruptionsskandal verwickelt. Erst eine informelle Untersuchung des Berner Staatsanwalts entkräftete die Bedenken. So stimmte das Parlament 1978 schliesslich dem Kauf von 72 Tigern für 1,17 Milliarden Franken zu. Die «National-Zeitung» bezeichnete den Tiger spöttisch als «Kampfflugzeug des armen Mannes».

Ein deutliches Misstrauensvotum

Nur rund 15 Jahre später beschloss das Parlament im Frühjahr 1992 den Kauf von 34 Kampfjets des US-Typs F/A-18 für rund 3,5 Milliarden Franken. Doch auch dieses Mal sollte die Beschaffung nicht reibungslos über die Bühne gehen. Die GSoA lancierte prompt eine Initiative. Sie wurde zwar abgelehnt. Doch: Satte 42,8 Prozent der Stimmenden waren gegen die Jets. Ein deutliches Misstrauensvotum.

1996 wurden der Schweiz die ersten F/A-18-Jets übergeben. Noch bevor die letzte Maschine 1999 an die Fliegerstaffeln ging, stürzte eine erste Maschine 1998 im Wallis ab. Heute sind, nach drei weiteren Abstürzen, noch 30 F/A-18 im Einsatz.

Der Gripen-Absturz

Gar nie abheben konnte dagegen der schwedische Gripen. 53,4 Prozent der Stimmbevölkerung hatten den Kampfjet 2014 abgelehnt. Das hatten sich Armee und VBS auch selber zuzuschreiben. Regelmässig fanden geheime Berichte den Weg an die Öffentlichkeit. Aus ihnen ging hervor, dass der Gripen Tests nicht bestanden hatte. Gleichzeitig schossen Militärpiloten gegen ihn, weil sie ein besseres Flugzeug wollten.

Und selbst der damalige Verteidigungsminister Ueli Maurer (70) torpedierte das eigene Flugzeug. An einer Gripen-Veranstaltung in Zug verglich er die Jets mit Haushaltsgegenständen und fragte ins Publikum: «Wie viele Gebrauchsgegenstände, die 30 Jahre alt sind, haben Sie noch zu Hause?» Die Antwort gab er gleich selber: «Bei uns sind das nicht mehr viele, ausser natürlich die Frau, die den Haushalt schmeisst.»

Dieser Chauvi-Spruch, der Hausfrauen mit Gebrauchsgegenständen verglich, kam gerade bei Frauen gar nicht gut an – sie lehnten den Gripen denn auch deutlich ab.

Nachfolgerin Amherd hat aus diesen Fehlern gelernt. Erst als das Geschäft vor wenigen Tagen in den Gesamtbundesrat gelangte, sickerte durch, dass das VBS den US-Tarnkappenjet F-35 bevorzuge. Und schon hat das Hauen und Stechen wieder begonnen.

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