Lange sahen die Umfragen zur E-ID rosig aus. Doch die anfangs deutliche Zustimmung ist wie der Schnee in der Februarsonne geschmolzen. Und am Abstimmungssonntag ist davon nichts mehr übrig: Mit über 64 Prozent Nein-Stimmen verwirft das Stimmvolk die Vorlage wuchtig.
Es ist paradox. Alle schreien nach mehr Digitalisierung – ob es um Corona-Daten, Onlineshopping oder den Kauf eines Bustickets geht. Doch oft bleibt das öffentliche Interesse an konkreten Projekten mau. Und die E-ID war hier lange keine Ausnahme: Eine richtige öffentliche Debatte ist nicht entbrannt, solange das Geschäft im Parlament war.
Staat versus Private
Das hat sich mit dem erfolgreichen Referendum geändert. Im Zentrum der Debatte stand aber nicht, ob die Schweiz eine E-ID braucht oder nicht – sondern die Frage: Was darf der Staat Privaten überlassen – und was darf er nicht aus der Hand geben?
Eine Frage, die sich Bundesrat und Parlament zu wenig ernsthaft gestellt haben – und das Volk hat nun eine deutliche Antwort: Es soll alles beim Bund bleiben. Punkt! Mit einer Ablehnung von beinahe zwei Dritteln der Stimmenden ist die Skepsis gegenüber Privatfirmen enorm. Der SwissSign-Gruppe aus Wirtschaftspartnern, die als einer der Herausgeber der E-ID eine wichtige Rolle gespielt hätte, ist es nicht gelungen, das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen.
Misstrauen gegen das Establishment
Für Daniel Graf, federführend beim Referendum, ist der Sieg ein Zeichen des «Misstrauens gegen das Establishment». Die Vorlage stehe «symptomatisch für viele Themen, die Bundesbern aus einer beschränkten, lobbyinggeprägten Perspektive sieht».
An einen Graben zwischen Volk und Parlament glaubt SVP-Nationalrat und E-ID-Befürworter Franz Grüter (57) nicht. Der Staat habe es ja mit der SuisseID selbst versucht, «und das war ein riesiger Flop». Das Engagement der Wirtschaft war aus seiner Sicht Reaktion darauf. Denn: Notwendig bleibe die E-ID. «Man will aber eine staatliche Lösung, und das gilt es zu akzeptieren.»
Jetzt muss der Staat ran
«Es ist eine verpasste Chance», sagt Marc Walder (55) – Mitglied von Digitalswitzerland und CEO des Ringier-Verlags, der auch den BLICK herausgibt. «Die Vorlage hätte eine selbstbestimmte, digitale Identität geschaffen – und mehr Rechtssicherheit bei der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger im Internet garantiert.» Der Standort Schweiz werde damit nun weiter zurückgeworfen.
Einig sind sich aber sowohl Gegner wie Befürworter: Der Volksentscheid ist kein Nein zur E-ID, sondern ein Auftrag, eine Alternative zu entwickeln, bei der der Staat wie beim Pass der Herausgeber ist.